Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
Vom Netzwerk:
sollte, endet in einer Rückkopplung, untermalt von einem zarten Plingen unangeschlossener E-Gitarren.
    Der Sänger weiß, dass es keine zweite Chance für einen ersten Eindruck gibt, und fällt gekonnt aus der Rolle. Er kratzt sich ratlos unter seinem Wikingerhelm: »Ey, sorry Leute, ich muss mal eben was an den Effektgeräten überprüfen, wir sind gleich wieder für euch da«, keckert er nun hektisch und wirft sich in den Kabelwust zu seinen Füßen. Seine Mannen bleiben wie angewurzelt auf ihren Positionen stehen. Da gibt es bandintern wohl unterschiedliche Interpretationen zu dem Lehrsatz: »The Show must go on«.
    Irgendein mitdenkender Mensch wirft das Saallicht wieder an, und ein anderer schmeißt zur musikalischen Überbrückung eine CD in den Player: » Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling …« Wieso liegt immer noch der »Letzte-Runde«-Sampler vom Montag im Laufwerk?
    Das Publikum quittiert diese Auswahl mit vereinzeltem Klatschen und Pfeifen, der Frontmann hat sich in seinen Kabeln verfangen, seine Band verbleibt im Salzsäulenmodus. Wenn man davon absieht, dass dem Schlagzeuger der Lidstrich langsam abbröckelt.
    Gute Gelegenheit, sich durch das Publikum zu quetschen, und Ludi zu suchen. Ich erkenne seinen mageren Rücken an der Theke, zu meiner Erleichterung hält er eine Cola in der Hand. Zu meinem Entsetzten hockt er auf meinem Stammplatz. Raffi hat seinen Arm um Ludis Schulter gelegt, Marie tätschelt die Wange des armen Jungen. Als sie mich bemerkt, schüttelt sie nur enttäuscht den Kopf. In mein schlechtes Gewissen mischt sich Wut.
    Ja, ich habe den Geburtstag eines Jungen vergessen, der mir zweimal pro Woche den letzten Nerv raubt. Außerdem habe ich ihn aus niederen Motiven in meine Kneipe gelockt und seine Siegesserie im Kickern versaut. Aber was hatte Ludolf von mir erwartet? Dass ich ihm ein Pony schenke? Raffi schaut über seine Schulter, kopiert Maries Kopfschütteln perfekt. Immerhin verzichtet er darauf, Ludi darauf hinzuweisen, dass ich mich anpirsche, wahrscheinlich, um den kleinen Kerl nicht zu verschrecken.
    Schon verstanden, Leute: Ich bin der alte Familienhund, der den süßen neuen Welpen verbissen hat, Mama und Papa sind böse auf mich. Bleiben zwei Möglichkeiten: Angekrochen kommen oder um meinen Rang im Rudel bellen. Ich entscheide mich für Kriechen, aber als ich gerade in Reichweite bin, um Ludis Füße zu küssen, wird die Schiebetür von der Küchenseite her aufgerissen. Es brennt. Lichterloh.
    »Marie, Feuer«, kreische ich, aber als sie sich umdreht, greift sie nicht zum Feuerlöscher, sondern drückt nur auf den CD -Player. » Happy Birthday Sweet Sixteen …«, erschallt es, und die Flammen aus der Küche bewegen sich auf magische Weise hinter der Theke her. Es sind nur Kerzen. Auf einer Torte, die etwa so groß wie Ludi ist, und sie muss von zwei Personen getragen werden. Die eine von ihnen ist Katja: »Herzlichen Glückwunsch, junger Mann!«, sagt sie zu Ludi und haucht dem verdutzen Geburtstagskind ein Küsschen zu. Die Torte schwankt, Katja greift geistesgegenwärtig wieder unter den Boden und ruft: »Du dachtest doch nicht ernsthaft, dass deine Lieblingssozialarbeiterin deinen Geburtstag vergessen würde, oder? Doki, komm doch mal nach vorn!«
    Ich trete an die Theke, Ludi dreht sich zu mir um, und wir beide spielen eine gepflegte Runde: »Wer kann die Kinnlade weiter runterklappen?« Ich gewinne, weil Ludi aufgibt und mir zuflüstert: »Wow, danke! Danke! Wie hast du das gemacht?«
    Ich versuche, nicht ganz so ratlos mit den Schultern zu zucken, was mir gelingt, weil Ludi mir um den Hals fällt und wimmert: »Du bist so cool! Du hast das alles hier veranstaltet, um mich zu überraschen, du bist echt die Beste, danke, Wahnsinn.«
    Ich umarme zurück. Dabei hauche ich ein »Danke« über die Theke, zu der wirklichen Besten, Katja. Die ist allerdings damit beschäftigt, das Kalorienmonstrum auf die Theke zu wuchten. Auch Ludi wird bewusst, dass ich bei meiner genialen Überraschungsaktion diverse Helfer gehabt haben muss, und er springt zu Raffi hinüber. »Ey, danke, Alter, Mann, ihr seid klasse!«
    Ja, selbst ich hatte nicht die geringste Ahnung davon, dass ich von Helden umringt bin, die über telepathische, logistische und konditionelle Superkräfte verfügen.
    »So, jetzt Kerzen ausblasen«, befiehlt Katja, und das lässt Ludolf sich nicht zweimal sagen. Er stellt sich auf den Barhocker und schafft es mit einem Atemzug. Unter enthusiastischem Beifall

Weitere Kostenlose Bücher