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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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sagen, oder? Ich meine, ich werde heute sechzehn, und ich habe auch nur ein halbes Bier getrunken, hey, du bist doch keine Petze, oder? Oder?«
    Der Eisberg verhält sich arttypisch. Stocksteif und gewohnt blockig bleibt Kira stehen, betrachte kühl Ludi und Vladimir, die sie flehend anschauen, der eine von unten, der andere von oben.
    »Nun sag endlich was, Mädchen«, bete ich innerlich, »komm, explodiere, flipp aus, schnapp dir das Jugendschutzgesetz und hau es mir um die Ohren, schwärz mich bei Margret an, setz dich dafür ein, dass ich hochkant aus dem Anker fliege, aber bitte, bitte, lass Ludi davonkommen. Und die Kneipe. Ach, und es wäre übrigens super, wenn du jetzt nicht die Polizei rufen würdest. Echt.«
    Und der Eisberg scheint meine Gebete gehört zu haben. Leicht angetaut sagt Kira zu Ludi: »Na, dann wünsche ich dir alles Gute zum Geburtstag. Vielleicht solltest du aber langsam mal nach Hause gehen, es ist schon spät.«
    Ludi strahlt Kira an, kann es sich nicht verkneifen, ihr kumpelhaft auf den Oberarm zu boxen und zu sagen: »Du bist echt ’ne Gute, danke!«
    Und Vladimir lächelt meiner Praktikantin zu, so, als hätte sie für ihn für eine Weile einen Koffer beaufsichtigt. Oder unsere Welt gerettet. Dann schnappt er sich Ludi, und die beiden verschwinden durch die Menge, die sich auf der Tanzfläche angesammelt hat.
    Noch wenige Minuten, und der Haupt-Act des Abends wird die Bühne entern. Ray und seine Mannen werden die Show abliefern, für die die meisten hier angereist sind, diese ganzen erwachsenen, abgehalfterten Gestalten, die sich an ihren Gläsern und Flaschen festhalten und ihre selbstgedrehten Kippen auf den Boden schnippen.
    Alles wäre wieder gut, wenn der Eisberg nicht noch im Raum stehen würde.
    »Du, ich muss das erst einmal einordnen, daher werde ich mich jetzt zurückziehen«, spricht meine Praktikantin schließlich in bester Margret-Manier.
    »Es tut mir leid«, piepse ich.
    Und Kira schaut mich an, als sei ich eine bescheuerte Kuh, die keine Ahnung hat, was in dieser Welt so vorgeht, als sei ich eine überforderte Trulla, kurz: als sei ich ihre Praktikantin.
    »Wir sehen uns Montag, Doris.«
    Das ist ihr Abgangssatz. Nervtötend langsam schiebt sie ihren kompakten Körper durch die johlende Menge, wirft noch einen letzten Blick auf die Bühne, auf der ein aufgekratzter Vierzigjähriger gerade den Inhalt einer Flasche Natternblut ins Publikum spuckt und verkündet: »Jetzt könnt ihr euch den Arsch abtanzen, ihr Pussys!«
    Ich sehe noch, wie Kira angewidert den Kopf schüttelt, und dann ist sie raus aus meiner Welt.
    Bis Montag.
    »Alles klar, Süße?«
    Gunnar küsst mich, deswegen kann ich nicht sofort antworten.
    Samstag. Sonntag. Montag. Ich habe noch ein Wochenende zu leben.
    »Bleibst du heute Abend hier? Ich meine, bei mir?«, kann ich schließlich hervorpressen, und Gunnar raunt: »Ich dachte, du fragst nie.«
    Die perfekte Parole, um in ein Taxi zu springen, abzudüsen und eine Menge nachzuholen.
    Wir tun es nicht. Ich würde gerne behaupten können, ich bleibe hier, in meiner Kneipe, um nach dem Auftritt der Hauptband mit Marie und Raffi das Ludolf-Schwenke-Großmann-Geburtstags-Fiasko zu besprechen, zu analysieren, was im schlimmsten Fall passieren kann, wenn Kira den Mund aufmacht.
    Oder dass ich auf Vladimir warten will, um zu erfahren, wie es Ludi geht. Wäre ich ein besserer Mensch, würde ich ganz klar bleiben, um in den frühen Morgenstunden die Sauerei in der Küche aufzuräumen, aber die Sache verhält sich so:
    Ich bin wegen des Konzerts hier. Seit drei Monaten freue ich mich auf Ray & the Ban Band.
    Und nach einer dreimonatigen Adventszeit kann ich Weihnachten nicht einfach sausen lassen, nur weil der Großvater meiner Enkel mich so ansieht.
    Meine Prioritäten wurzeln nicht in hehren Gründen wie Verantwortungsbewusstsein, Loyalität oder auch in nur einem Hauch von Selbstrespekt oder Stolz.
    Ich bin nur ein Junkie, der jetzt seinen Schuss braucht.
    »Du weißt ja, wo ich wohne«, sage ich zu Gunnar und werfe ihm meinen Schlüsselbund zu.
    Kann sein, dass er sich auf dem Absatz umdreht und geht. Zu mir oder unter eine Brücke oder nach Pforzheim. Keine Ahnung, denn ich schaue zur Bühne und bin weg, auf Rays Kommando: »Eins, zwei, drei, vier!«

XVII
    W ir lieben Musik. Deswegen sind wir alle hier.
    Wir lieben Musik so sehr, dass wir alles um uns herum vergessen können für zwei Stunden.
    Wir vergessen den Schimmel im Mauerwerk und die Tatsache,

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