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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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waren total bekifft und haben den Garten vollgereihert«, ereifert sich Katja, und Marie fügt hinzu: »Ich habe zum sechzehnten eine Dauerwelle geschenkt bekommen. Und eine Blondierung, gleichzeitig. Ich wollte mich umbringen, ernsthaft. Aber ich wollte mit den Haaren nicht beerdigt werden, also hab ich’s gelassen.«
    Über die Vorstellung, wie Marie sich nach einem Friseurbesuch das Leben nehmen wollte, können wir endlich ausnahmslos alle lachen. Der Druck ist raus. Plötzlich gibt es ein ganz klein wenig Hoffnung für uns alle. Egal wie furchtbar etwas aussieht, es bedeutet nicht zwangsläufig das Ende. Wegen einer so dämlichen Sache wird das »Horst« nicht sterben, Punkt.
    Wir müssen nur alle nachdenken, was zu tun ist. Die Fakten zusammentragen, einen Plan aushecken. Noch einen Schnaps trinken.
    »Also, was ich sagen kann«, beginnt Vladimir, »ich habe mit Ludolf geredet, im Auto. Der wird nicht sagen, er war hier heute, er ist ein guter Junge. Und nicht blöd.«
    Das kann ich nur bestätigen. Vladimir fährt fort:
    »Nun, einzige Problem bleibt: Praktikantin von Doris, aber betrachtet von Standpunkt von Realität: Wie will sie beweisen? Hat Fotos gemacht von kleinem Jungen? Oder Kuchen? Ich glaube nicht.«
    Ein Stimmengewirr bricht los, aber es klingt fröhlich, wie das Surren eines weit entfernten Bienenstocks. Sie sind alle wieder angekommen, auf »Standpunkt von Realität«.
    »Ja, genau, wie will die Alte das beweisen?«
    »Die macht sich doch lächerlich.«
    »Könnte ja jeder kommen und so etwas behaupten.«
    Dankbar blicke ich meinen Anwalt an, das Verfahren wird eingestellt werden, aus Mangel an Beweisen. Raffi tippt mir auf die Schulter: »Hey Doki, entschuldige, aber ich bin einfach ausgeflippt eben. Ist grad alles ein bisschen viel hier.«
    Ich bin zu fertig, um Raffi daran zu erinnern, dass er grundsätzlich ausflippt und alles immer viel zu viel ist in seinem Leben. Und es bereitet mir Unwohlsein, ihn so ernsthaft gestimmt zu sehen, ihn so klar reden zu hören, nachdem er schon mindestens doppelt so viel intus hat wie jeder andere hier. Wenigstens zeigt er einige Anzeichen von Trunkenheit, er hält sich jetzt an meiner Schulter fest und fügt mit glasigem Blick hinzu: »Ich hätte mir das echt nicht leisten können, die Strafgebühr dafür zu zahlen, das kostet nämlich irre viel Geld, wenn die einen unter achtzehn in einer Raucherkneipe erwischen, weißt du?«
    Ich nicke, obwohl ich es nicht ganz genau weiß. Sollte ich aber, das Jugendschutzgesetz müsste ich im Schlaf runterbeten können. Und ich müsste mich daran halten, bei der Arbeit und in der Freizeit, ich hätte sofort einschreiten sollen, als Raffi Ludi in die Kneipe getragen hat, nein, ich hätte niemals, niemals Ludi mit hierherbringen dürfen. Alles, was heute passiert ist und hätte passieren können, ist meine Schuld.
    Ich verdiene keinen Freispruch und schon gar keine Entschuldigung des Opfers.
    »Raffi, ist gut. Ich meine, es wird schon wieder …«, nuschele ich und versteife meine Schulter, damit der schwankende Wirt besseren Halt daran findet. Er haut mit der anderen Hand auf die Theke und grölt: »Ja, es wird alles wieder, Scheiße, natürlich! Verdammt, war das knapp, ich habe nämlich keine zweitausend Euro, die ich dem Ordnungsamt in den Arsch blasen kann!«
    »Raphael!«, mahnt Marie, aber in diesem Augenblick schwingt die Küchentür auf und Ray ist da. Mit bloßem Oberkörper und so engen Hosen, dass ich sehen kann, wie sich ein verpacktes Kondom in der Tasche abzeichnet. Er will offenbar mit dem dritten Teil des Abends beginnen, Groupies aufreißen. Rays Gesichtsausdruck verrät, dass er einen anderen Empfang von der Thekengesellschaft erwartet hätte. Nicht unbedingt einen geschmückten Streitwagen, aber schon einen Lorbeerkranz, zumindest doch laute Jubelgesänge. Er wirkt nicht amüsiert darüber, dass statt seiner der Hausherr im Mittelpunkt des Interesses steht. Ray versucht, diesen Umstand zu ändern: »Ey Alter, das kostet doch keine zweitausend Scheine, wenn die hier ein Kind erwischen«, versorgt er uns mit Insiderwissen, und obwohl Vladimir ihn warnend ansieht, spricht er weiter: »Das kostet dich locker fünfzigtausend, da kannste aber einen drauf lassen.«
    Ray blickt beifallheischend in die Runde.
    Plock.
    Kein Tischfußball, der ins Tor gepfeffert wurde.
    Ein Kneipenwirt, der zu Boden ging.
    Ein Klatschen. Marie ist ebenfalls hinter der Theke verschwunden, und es klatscht noch einmal, zweimal, ihre

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