Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
Vom Netzwerk:
ihm, »ich frage sie. Alle.«
    »Danke.«
    »Ludi, ich gehe jetzt mal schlafen, okay?«
    »Okay, ich stehe jetzt auf. Meine Verwandten kommen heute. Kaffee, Kuchen, Geschenke eben.«
    Der Junge wird seinen heißen Kakao bekommen und durchgeknuddelt werden, wenigstens etwas. »Also Doki, bis dann.«
    »Mach’s gut.«
    Ich lege auf. Und frage mich, wie ich in all der Zeit das Offensichtliche übersehen konnte. Wahrscheinlich muss man einfach nur mal einen anderen Blickwinkel einnehmen, dann kann man endlich hinter die Dinge sehen. Zum Beispiel hinter meinen Duschvorhang. Da befindet sich eine Badewanne. Ich verwende sie nur selten als solche, weil sie zum Schwimmen zu klein ist. Aber zum Schlafen scheint sie mir perfekt.

XX
    D ie Enten schnattern und es riecht nach Kaffee.
    Das schreit nach einer neuen Runde: »Augen geschlossen halten und raten, wo ich bin.«
    Vielleicht liege ich an einem Teich, an den eine Außengastronomie angeschlossen ist.
    Ich halte das für die Wahrscheinlichste aller Möglichkeiten, sogar eine plausible Vorgeschichte fällt mir ein. Ich bin im »Horst« vom Hocker gekippt, ganz unglücklich auf dem Boden aufgeschlagen, also bin ich gelähmt. Ich frage bei meinem Körper nach, damit er diese Version bestätigt. Nun, keine Antwort ist auch eine Antwort. Folglich wurde ich nach diesem fürchterlichen Unfall in ein künstliches Koma gelegt, in eine Kurklinik nach Davos gefahren, und nun wache ich langsam auf. Wie lange habe ich geschlafen?
    Ein paar Tage, vielleicht aber auch Monate oder Jahre, wie in Kill Bill .
    Es wäre auf der einen Seite natürlich furchtbar, wenn ich jetzt vierunddreißig Jahre alt wäre, auf der anderen Seite: Wenn ich aus einem Koma aufwache und aussähe wie Uma Thurman, gleich mit dem Zeh wackeln könnte und in zwanzig Minuten über tödliche Kampfkunsttechniken verfügen würde – das wäre ein Angebot des Schicksals, das ich nicht ablehnen könnte. Ich starte die Probe aufs Exempel. Mein Zeh wackelt. Was nun? Wird mir so eine hautenge Kombination aus gelbem Lackleder überhaupt stehen? Eher nicht, also vergesse ich den Rest auch lieber.
    Ich reiße die Augen auf, steige aus meiner Badewanne, und nicht nur mein Zeh wackelt, sondern der gesamte Raum. Ein Blick in den Spiegel stellt klar: Ich muss viel länger geschlafen haben, denn ich sehe aus wie OmaThurman.
    Trotzdem bewege ich mich aus dem Badezimmer, weil ich wissen will, seit wann Enten Kaffee kochen können. Vor der Küchentür muss ich kurz pausieren, die Enten schnattern aufgeregter, es kostet mich einige Mühe, einen Sinn aus ihrem Gequake herauszuhören: »Katja, der braucht doch Hilfe!«
    »Sag ich doch! Man muss das nur im Zusammenhang sehen, daher muss man erst auch der Kneipe helfen, sonst …«
    »Ah verstehe, so wie ihr gestern? Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Ne«, höre ich Katja genervt schnauben, dann das Klicken eines Feuerzeuges.
    Interessant. Während ich in der Badewanne schlief, sind meine Liebsten den Bund der Ehe eingegangen, haben den amourösen Teil pietätvoll übersprungen und befinden sich in einem verbitterten Streit darüber, wer Schuld daran trägt, dass ihrer beider Leben zur Hölle geworden ist.
    Da werde ich doch mal gratulieren.
    »Moin.«
    Katja lässt fast die Zigarette fallen: »Scheiße, wie siehst du denn aus?«
    »Und wo kommst du überhaupt her?«, erkundigt sich Gunnar in einem Ton, der mich schwer an Zeiten erinnert, in denen ich in einer ähnlichen körperlichen Verfassung an den Frühstückstisch gekrabbelt bin, also gebe ich dieselbe schnippische Antwort, die ich meiner Mutter gegeben habe, als ich fünfzehn war: »Vom Friedhof, ich hatte Hunger.«
    Zum Glück übernimmt Katja spontan die Rolle meines Vaters: »Komm setz dich, Liebes, ich hol dir eine Kopfschmerztablette.«
    Sie steht auf, und ich falle auf ihren Platz. Gunnar schaut mich an, zwar besorgt, aber dankenswerterweise streicht er das Familiendrama »Samstags bei den Kindermanns« spontan vom Spielplan. Es gibt aktuelleren Stoff, der sich förmlich aufdrängt: »Marie hat angerufen. Willst du zuerst die gute oder die schlechte Nachricht hören?«
    »Die Gute«, fordert die Meisterin der Verdrängung, und Gunnar berichtet: »Also, Raphael leidet nicht unter Narkolepsie.«
    Gute Nachricht? Albert wird am Boden zerstört sein, wenn er das erfährt.
    Katja steckt mir ihre Zigarette in den Mund, vorsorglich, damit ich bei ihren folgenden Worten nicht vom Stuhl kippe: »Die schlechte Nachricht: Raffi hat

Weitere Kostenlose Bücher