Betreutes Trinken
nach Hause und dusche dort, wo mir nicht der Putz in die Wanne bröckelt«, lächelt Katja, erhebt sich und streift ihren Mantel über: »Außerdem muss ich noch meine Eltern anrufen, denen sagen, dass die Hochzeit abgesagt ist, und anschließend enterbt werden. Ach ja, Andi rausschmeißen, das ja auch noch. Und danach dringend einen festen Strick finden.«
»Brauchst du Hilfe? Ich meine, soll ich mitkommen?«, frage ich besorgt, und Katja patscht mir auf die Wange:
»Das ist ganz süß von dir, aber ich glaube, du hast auch noch einiges zu tun, bevor wir Raffi ins Gewissen reden. So wie du momentan aussiehst, bist du kein besonders gutes Argument gegen Selbstmord auf Raten.«
Gunnar lacht, dieser Verräter. Aber ich muss zugeben, dass es effektiver ist, eine Wanne mit Wasser zu füllen, bevor man sich hineinlegt. Als ich Katja zur Wohnungstür geleite, ist die gedanklich natürlich wieder einen Schritt weiter:
»Was zieht man eigentlich an für so eine Intervention? Eher was Gestrenges, oder? Vielleicht der Fräulein-Rottenmeier-Chic, ich glaube, da habe ich noch ein ganz bezauberndes Ensemble …«, plappert sie, und da jeder Knochen mit einem Knacken gegen die unwürdigen Haftbedingung in meinem Körper protestiert, unterbreche ich sie harsch: »Zieh einfach gar nichts an, dann wird Raffi alles tun, was du von ihm willst!«
Meine Freundin umarmt mich: »Tschuldige Schatz, du weißt, wie gern ich Unfug rede, wenn ich nervös bin. Aber wenn ich wüsste, es hilft Raffi, würde ich tatsächlich nackt kommen.«
Ich drücke sie: »Ich weiß.«
»Bis später. Und wenn wir Raffi dann in eine Klinik verfrachtet haben, musst du dir auch mal Gedanken machen, was du mit dem Goldjungen in deiner Küche anstellst.«
»Was schon? Ich werde ihn als meinen Sklaven bei Wasser und Brot halten, während er darum bettelt, mir jederzeit zu Diensten sein zu dürfen.«
Katja klopft mir lobend auf den Rücken: »Das ist mein Mädchen. Bis später.«
Sie haucht mir einen Kuss auf die Wange, über das Treppengeländer gebeugt winke ich ihr hinterher, bis ich ihre Pfennigabsätze nicht mehr auf den Stufen klackern hören kann. Ein paar warme Hände umfassen meinen Bauch: »Bevor du duschen gehst, hast du da noch ein bisschen Zeit?«, zirpt mein zukünftiger Sklave neckisch. Nicht unbedingt meine Idee von Dirty-Talk, aber ich steige gewohnt kompromissbereit darauf ein: »Zeit wofür?«
»Ich dachte, wir legen uns erst mal ein bisschen ins Bett. Die Couch war echt unbequem.«
Was für ein Tempo! Von der ungepflegten Erwachsenenunterhaltung direkt zu Alterszipperlein. Ich bremse ab:
»Denkst du allen Ernstes, es wird in meinem Bett bequemer werden?«, frage ich, während ich in Richtung Schlafzimmer gezogen werde.
»Bequem? Mit dir? Bestimmt nie.«
Gut, dass Katja das hier nicht mehr mitbekommt. Es widerspricht fast in sämtlichen Punkten allem, was sie mir je über Personalführung beigebracht hat.
XXI
I ch wusste doch, dass ich die ganze Packung Spaghetti hätte kochen sollen. Eine halbe ist einfach zu wenig für zwei ausgewachsene Menschen. Da hilft auch kein Knoblauchbaguette, kein Beilagenkartoffelsalat und kein Pistazieneis zum Nachtisch. Ich habe immer noch Hunger. Zum Glück horte ich Notreserven. Als ich gerade von der Schokolade abbeißen will, nimmt Gunnar mir die Dreihundert-Gramm-Tafel aus der Hand: »Lass das. Du machst mir Angst.«
»Gut so. Lebe in Furcht«, rate ich ihm und entreiße ihm den Schatz wieder.
Gunnar jault: »Ja, so seid ihr Frauen. Erst bringt ihr die Kerle um den Verstand, und wenn ihr sie am Haken habt, lasst ihr euch komplett gehen.«
»Dann geh doch zurück zu deinen schwulen Finnen«, schlage ich vor.
»Kann ich nicht. Zu vollgefressen.«
Er legt seinen Kopf zurück auf meinen Bauch, ich wuschele in seinem Haar herum. Bis ich die kleine kahle Stelle berühre. Die macht mir Angst.
»Nicht aufhören«, murmelt der Mann, und mein Magen knurrt. Gunnar schnellt hoch: »Das ist unglaublich! Wie geht das? Du hast zwei Becher Sahne in die Soße getan!«
»Mühsam antrainierter Kamelismus«, lüfte ich das Geheimnis, »ich kann tagelang ohne Essen auskommen, aber wenn ich an die Oase komme – trinke ich sie leer. Praktisch, oder?«
»Gestört«, meint der Herr, aber dann fällt ihm ein: »Auf der anderen Seite: Bei mir ist das so ähnlich.«
»Red keinen Quatsch, du bist doch der Gesundheitsapostel. Wer hat immer das gute Vollkornbrot mit in die Schule genommen, bei wem gab es immer
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