Betreutes Trinken
drinliegt.
»Hat die Adresse wohl vergessen, der Gunnar«, informiere ich Katja und gebe noch eine ziemlich jämmerliche Interpretation ihrer wegwerfenden Handbewegung zum Besten.
»Ah, vergiss die Kerle, alles Schweine«, grummelt Katja in mein Kissen, und wir hören ein Grunzen aus Richtung Wohnzimmer.
»Siehste, Schweine!«, sind die letzten Worte meiner besten Freundin, bevor sie alle Viere von sich streckt und ins Reich der Träume entschwindet. Mit Überschallgeschwindigkeit. Kaum die Augen zu, schon sabbert sie auf mein Bettlaken. Narkolepsie ist ansteckend, nur ich scheine immun dagegen. Aufgeregt hüpfe ich ins Wohnzimmer, um zu schauen, ob es wirklich Gunnar ist und nicht der Weihnachtsmann.
XIX
D ie Frage, die mich wirklich beschäftigt, ist: Verwendet Andreas Jahn des Nachts Ohrstöpsel, und falls nicht, ist das dann wahre Liebe? Und warum kann die dann durch eine Hochzeitstorte zerstört werden? Hat Katja ihren Andi am Ende nie so geliebt wie er sie? Doch natürlich, bei all dem Zoff waren sie immer ein eingeschworenes Team. Sie hat nur kalte Füße gekriegt, bald sind sie wieder zusammen. Und was, wenn nicht?
Acht Jahre waren sie ein Paar, und in dieser Zeit habe ich mich sehr oft wie das dritte Rad am Wagen gefühlt. Oder heißt es »wie das fünfte Rad«? Bei dem Gedanken, acht Jahre lang ein Reservereifen gewesen zu sein, wird mir ganz anders.
Es ist fast neun Uhr, und ich kann immer noch nicht einschlafen.
Ich finde keine Ruhe.
Denn die Braut, die sich nicht traut, liegt neben mir im Bett und schnarcht inbrünstig. Wenn sie jemals Teil eines Gefährtes war, dann kein Rad, sondern der Motor. Kann man immer brauchen, macht aber auch bequem. Für meinen Teil fände ich es zum Beispiel ganz schön, wenn ich erst mal ein ganz altmodisches Tandem mit Gunnar zusammen bilden könnte. Das hat sich doch jeder Frischverliebte verdient.
Bin nur ich wieder frisch verliebt? Warum hat Gunnar sich auf die Couch gelegt statt in mein Bett? War er sauer, weil ich im »Horst« geblieben bin? Weil er sich meiner Gefühle unsicher war? Wegen der Snoopy-Bettwäsche? Was wäre geschehen, wenn ich nicht dort geblieben wäre? Wir hätten einen Freitagabend verloren, vielleicht sogar die ganze Kneipe.
Doris Johanna von Orleans hat sich ihrer einzigen Liebe versagt, um ihr Volk zu retten. Nur ist keiner mehr auf, um mich heilig zu sprechen.
Also gebe ich den Wachhund. Stehe wieder auf, gehe ins Wohnzimmer, und schaue Gunnar an, den schlafenden Prinzen. Er ist so schön, nicht nur, weil meine Couch so hässlich ist. Und schmal. Lege mich ein bisschen auf den Fußboden, neben die Couch, und von hier sieht es aus, als würde Gunnar im Schlaf lächeln, verzückt. Ich möchte weinen. Das ist mein Mann, und unsere Liebe wird alle Hindernisse überwinden, auch Hochzeitstorten, Krisen, Distanzen, lange Pausen. Nur nicht die Härte von Linoleum.
Also wieder rüber zu Katja.
Sie ist so vielseitig begabt, selbst, wenn sie bewusstlos ist. Sie kann nicht nur täuschend echt einen Laubbläser imitieren, sondern auch noch gleichzeitig Jesus am Kreuz mimen. Wie hat sie es geschafft, sich im Schlaf diagonal in mein Bett zu legen?
Ich kann mir jetzt eines der vier winzigen Dreiecke zum Einrollen aussuchen, mich unter die Fittiche des großen Schnarchadlers begeben. Am Fußende ist es zwar leiser, dafür gibt es hier nicht einen Zipfel Decke zu erhaschen. Vor Katjas Gesicht ist es zwar wärmer, aber eher so wie in einem Kuhstall.
Katja schnarcht nicht nur, sie stinkt auch aus dem Mund. Das kommt vor. Es ist menschlich. Nein, doch eher bestialisch, aber es ist schließlich Katja. Augen zu und durch.Ich will mir mental die Ehrenmedaille »Freundin des Jahres« verleihen, aber bei der Zeremonie kommt es zum Eklat. Ich lehne die Auszeichnung ab, weil ich gar nicht so tapfer bin, wie es noch vor wenigen Sekunden aussah.
Katjas Mundgeruch katapultiert mich ins Badezimmer, wo ich feststellen muss, das Fliesen noch böser sind als Linoleum. Vielleicht kann ich mich doch wieder neben Gunnar auf den Boden legen, wenn ich den Duschvorhang mehrfach falte, um ihn als Matratze zu nutzen. Ich verwerfe den Gedanken. Wenn die stets perfekte Katja Alpert schon so aus dem Maul riecht, kann ich höchstwahrscheinlich im Alleingang ein neues Ozonloch in die Atmosphäre hauchen. Und wenn ich mich jetzt auch noch für ein paar Stunden in einen Plastikduschvorhang einlege, wird das ein ziemlich böses Erwachen, da war die Nummer im Hotel gar nichts
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