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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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zerknirscht.
    »Ist schon gut«, grummle ich. Aber es ist noch nicht so gut, dass ich ihn anschauen könnte. Gunnar könnte es besser machen, mit einem Kaffee. Und Brötchen. Wenn er sich auf den Weg zum Bäcker macht, könnte er auch direkt einen Strauß Blumen mitbringen. Nein, zu abgeschmackt. Lieber einen Korb Welpen.
    »Könntest du die Augen aufmachen wenn ich mit dir rede, Doris?«
    Vorsicht, Bürschchen, du bist nicht in der Position, um Forderungen zu stellen, noch nicht. Der Mann hat es verstanden. »Es tut mir auch leid wegen Katja. Ich meine wegen Andi.«
    Jetzt hat er mich: »Wieso, was ist passiert?«
    Gunnar lächelt, aber ohne Eckzahn. Der fehlt nämlich. Jetzt hat er mich völlig.
    »Oh Gott, nein, Gunnar, wer war das?«
    Gunnar will aufseufzen, aber die Luft entweicht pfeifend durch die Zahnlücke: »Wenn du es genau wissen willst – Linda. Aber es war keine Absicht, alles ging so schnell …« Er lispelt ein wenig wie Kira. Ich muss das stoppen: »Linda hat dir deinen Zahn ausgehauen?«
    »Nein, nicht wirklich. Ich meine, das ist schon vor Jahren passiert, der Zahn war gar nicht echt. Nicht mehr. Viel wichtiger ist aber doch …«
    Er hat einen Hirnschaden erlitten. »Moment. Dein schiefer Zahn ist dir vor Jahren ausgeschlagen worden, und du lässt dir einen künstlichen Zahn genauso schief einsetzten. Warum?«
    Gunnar grinst: »Die Puppen stehen drauf.«
    Der Spruch wäre ziemlich lässig gewesen, wenn Gunnar mich beim Sprechen nicht mit Speichel besprüht hätte. Da ich zu fasziniert von dieser Lücke bin, redet Gunnar weiter:
    »Also, mach dir keine Gedanken um mich, sondern um Andi. Wie gesagt, es tut mir leid. Wir wussten nicht, was wir mit ihm anstellen sollten. Er musste weg.«
    Anders als ich war Gunnar nie ein Fan von Tarantino-Filmen. Entweder ist er auf den Geschmack gekommen oder er hängt zuviel mit seinem neuen Kumpel herum. Letzteres ist der Fall: »Vladimir und ich haben ihn gemeinsam tragen müssen, kein Taxi wollte uns mitnehmen. Weil du auf der Couch geschlafen hast, haben wir ihn in dein Bett gelegt. Ich habe eben nach ihm geschaut, er schläft noch, aber ich glaube, ihm ist schlecht geworden. Tut mir leid.«
    Will ich die ganze Geschichte wirklich hören? Der Trailer ist schon gruselig genug. Wie konnte ich seelenruhig weiterschlafen, während drei Männer in meine Wohnung einbrechen? Was zur nächstliegenden Frage führt. »Moment. Wenn Andi in meinem Bett liegt – wo hast du dann geschlafen?«
    »In der Badewanne.«
    Wir kichern, Spucke spritzt. Ich setzte mich hin, um meinem geschundenen Mann Platz auf der Couch anzubieten, und um dem Sprühregen auszuweichen. Nun will ich doch hören, wie der schönste künstliche Zahn der Welt verschwunden ist: »Es war so – Andi war unglaublich dicht, als er in die Kneipe kam. Nein, er kam da reingestürmt ins ›Dead Horst‹ …«
    »… Schatz, vermeide allzu viele S-Laute, bitte, ich meine es gut«, muss ich unterbrechen. Gunnar sieht mich gekränkt an, dann berichtet er weiter. »… er sieht Katja an der Theke, stürmt auf Toddy los und erwischt ihn fast. Ich wollte dazwischengehen, aber Linda war schneller. Ich bin in ihre Faust gerannt.«
    Natürlich höre ich diese Lügen nicht zum ersten Mal. Ich bin Sozialarbeiterin. Häusliche Gewalt läuft immer nach dem gleichen Muster ab, das Opfer schämt sich und nimmt den Partner auch noch in Schutz. Immerhin hat Gunnar mir nicht erzählt, er sei die Treppe heruntergefallen. Ich tätschle seine Wange: »Du bleibst bei der Version?«
    »Nein, es ging noch weiter. Als ich wieder zu mir kam, lag Andi am Boden, weil er ausgerutscht ist. Vladimir musste Katja in Raffis Wohnung verfrachten, weil die auf Linda losgehen wollte oder so. Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hielt Vladimir es für das Beste, alle soweit wie möglich voneinander zu trennen, räumlich. Es waren ja auch noch andere Gäste da. Schien mir vernünftig.«
    Das Wort »vernünftig« ist das letzte, das mir in diesem Kontext eingefallen wäre. »Was haben die anderen Gäste gemacht?«
    Gunnar gibt erneut ein Pfeifen von sich. »Was schon, sie haben Katja angefeuert. Schließlich wollte die mich rächen und meine Peinigerin verdreschen.«
    »Ja, sicher.«
    Gunnar nimmt meine Hand, verknotet unsere Finger. »Nein im Ernst, es war ziemlich übel. Zwei von den kleinen Punks wollten allen Ernstes auf Andi draufpinkeln, weil der ein fieses Bankerschwein sei. Was sind das für Leute, Doris?«
    Da bin ich überfragt:

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