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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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herüber, bricht ungefragt vor der Couch zusammen.
    »Ich weiß gar nichts mehr«, gesteht er uns, fängt aber vorsorglich an zu heulen.
    Ich klopfe beruhigend auf Andis blanke, sommersprossige Schulter. Gunnar blickt mich etwas angeekelt an, so, als würde ich ein Schwein streicheln, dass sich seiner Meinung nach wesentlich besser in einer Jagdwurst machen würde. Aber bei mir sind alle Lebewesen willkommen, also biete ich meinem Gast an: »Willst du einen Kaffee haben?« Andi würgt, kann sich aber zusammenreißen und ringt sich zu einem Lächeln durch. Ohne Brille sieht er tatsächlich wie ein kolossaler Eber aus, er lässt die farblosen Wimpern klimpern: »Hast du Zaubertrank da?«
    »Klar.«
    Ich laufe in die Küche und greife nach der Waffe, mit der Kinder vom Land von jeher siegreich gegen Kater kämpften. Koffeinhaltige Limonade, mit einem Schuss Orangenaroma und besten Genesungswünschen aus der Chemiefabrik.
    »Danke, Doki.«
    Andi nimmt die Flasche und trinkt gierig. Der Mann kämpft gegen Tiger, aber er wird es schaffen. »Ich bin so ein Idiot«, stellt er fest, aber weder Gunnar noch ich bringen es übers Herz, ihm zu seiner Selbsterkenntnis zu gratulieren. Wir brauchen Details, bevor wir ihn in eine neue Schwachmaten-Klasse einordnen können.
    Andi liefert uns immerhin Bruchstücke: »Ich habe diese Torte gekauft. Eine sehr schöne, große Torte. Und Madame ist deswegen ausgeflippt. Abgehauen ist sie. Und dann ist sie nicht mehr ans Telefon gegangen, den ganzen Abend nicht. Hat sich nicht gemeldet, die blöde Kuh, die Schlampe. Oh Gott, ich liebe sie!«
    »Trink, Andi!«, befehle ich ungeduldig, denn diese Strophe des Klagelieds kannten wir schon.
    Andi schluckt: »Und gestern Morgen dachte ich mir dann: ›Die Frau kann dich mal!‹ Also habe ich meine Klamotten gepackt und bin weg aus der Wohnung. Damit die mal sieht, wie das ist. Und ich sehe, wie die sieht, wie das ist. Ich habe mich in das Café gesetzt, gegenüber vom Haus, und Kaffee getrunken.«
    »Wahnsinnsidee, wirklich«, stöhnt Gunnar, aber ich will das genauer wissen:
    »Oh, das ›Grotekamps‹, wo es den leckeren Käsekuchen gibt?« Andi nickt, grinst versonnen. Er liebt diesen Käsekuchen.
    »Komm zum Punkt, Typ«, treibt Gunnar ihn an. Andi konzentriert sich sehr, aber erfolglos: »Ich hatte keinen Kuchen. Ich habe nach ’ner Zeit auf Irish Coffee gewechselt. Dann nur noch Irish. Bis die alte Grotekamp mich vor die Tür gesetzt hat.«
    Und ich dachte, mein Samstag sei aufregend gewesen. »Andi, sag bitte nicht, du bist noch mit dem Auto in die Stadt gefahren.«
    »Nein. Nein. Der Hennes hat mich gebracht. Hennes Grotekamp. Ein feiner Kerl, spielt in der Altherrenmannschaft. Egal. Ich wollte Katja zur Rede stellen. Und dann ist mir eingefallen, beim Wacholder, dass sie im ›Dead Horst‹ sein muss. Aber das war gestern schwer zu finden. Guter Torwart, der Hennes, aber sein Orientierungssinn, uiuiui. Mussten an drei Tanken anhalten, um nach dem Weg zu fragen. Und Bier kaufen. Gott sei Dank haben wir es dann doch noch gefunden.«
    »Leider …«, bemerkt Gunnar, aber Andi hat einen guten Lauf und quasselt weiter:
    »Hennes wollte da nicht rein, also hat er mich da allein gelassen, das Kameradenschwein. Und Katja war natürlich da! Stand da hinter der Theke, mit ihrem blöden Ex-Macker, dem Scheiß-Schotten, und hat mit den Brüsten gewackelt … ich liebe sie, Doki!«
    Gunnar windet sich auf der Couch umher, will Einspruch erheben, aber als Vorsitzende Richterin lasse ich an diesem Punkt keine Zeugen der Gegenseite zu: »Was hast du dann getan, Andreas?«
    Andis Miene verdüstert sich: »Es war eine Falle. Zuerst bin ich natürlich auf den Schotten los, aber als ich den gerade am Hals gepackt hatte, trifft mich ein Schlag. Aus dem Hinterhalt, aufs Auge. Dann bin ich geflogen. Hierher. Zauberei«, schließt der Herr im heute ausnahmsweise unvollständigen Nadelstreifenanzug seinen Bericht.
    Und da sagt man immer, Betrunkene haben einen Schutzengel. Fakt ist, dass man ab zwei Promille extrem gefährdet ist, einem sadistischen Wanderzirkus in die Hände zu geraten. Der Schlangenmensch schlägt einem von hinten ins Gesicht, die Pferde zerren das Opfer noch einmal durch die Manege, und zum großen Finale wird man als menschliche Kanonenkugel missbraucht, immer das gleiche Muster. Zeit, ein paar Clowns zu verhaften, sonst lache ich mich noch tot. Gunnar versaut mir den perfekten Abgang: »Andi, bist einfach nur auf die Schnauze gefallen. Mit

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