Betreutes Trinken
zu:
»Sicher, geht doch alle weg, wegen Frauensachen, ist ja die Krankheit des Tages«, flötet meine Chefin. Dann lächelt sie Kira zu: »Aber du bleibst noch ein bisschen, oder? Ich meine, als die kapitalistischen Ausbeuter, die wir sind, sollten wir doch nur die Praktikanten arbeiten lassen, nicht wahr, Fernando?«
Und damit hat sie ihn sprachlos gemacht. Sie hat es noch drauf und freut sich diebisch darüber. Ich winke den dreien zu, testweise. Sie winken zurück.
»Gute Besserung, Doki. Soll ich dir den Tee mitgeben, der hilft bei mir immer und ist rein pflanzlich«, sagt Kira, ganz wie die alte Kira.
Fernandos Schnurrbart zuckt, wahrscheinlich will er meine Praktikantin aufgrund dieser überragenden Leistung als Schauspielerin abwerben.
Margret schielt sehnsüchtig auf die Zigaretten in meiner Brusttasche.
Wenn ich eins kann, dann ein perfektes Team zusammenstellen.
XXVII
A ls ich zu Hause ankomme ist Gunnar schon weg.
Natürlich hatte ich nicht vor, mit ihm zu meiner Mutter zu fahren, aber ich hätte ihn gerne über die neueste Entwicklung meiner Karriere informiert. Selbstverständlich kann ich ihn auch anrufen, um ihm zu sagen, dass ich meine Ferien mit seinen habe abstimmen können.
Und wenn alles gut läuft, werde ich Margret in den nächsten Tagen von Kiras Qualitäten überzeugen, eine einvernehmliche Kündigung unterschreiben, und ich werde frei von Ballast in eine glorreiche Zukunft blicken können. Mein Bankberater wird mir gratulieren: »Frau Kindermann, angesichts ihres Dispokredits war eine berufliche Neuorientierung zu dieser Zeit eine sehr mutige Entscheidung von Ihnen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie uns im Vorfeld von diesem Schritt unterrichtet hätten. Wenn Sie jetzt einfach Ihre EC -Karte in den Schredder einführen würden …«
Ist okay.
Ich stehe zu meiner Entscheidung. Es ist das Richtige, dem Ankerden Rücken zu kehren. Ohne mich haben sie dort eine reale Chance, und wenn ich mir jetzt noch ein kleines finanzielles Polster schaffen kann, werde ich schon etwas Neues finden.
Man kann sich eine Weile mit Nebenjobs über Wasser halten.
Mit dem Kochen im »Dead Horst« habe ich ja schon ein Standbein.
Bisher habe ich da dreißig Euro in Lebensmittel investiert, die werde ich ja wohl erstattet bekommen.
Nicht zu vergessen meine kommenden Schichten als Türsteher und Putzfee.
Ich rufe Marie an, um sie zu fragen, wie viel Schmerzensgeld sie sich auszahlt, wenn sie einen Sonntagnachmittag damit verbringt, die Hölle zu polieren.
Obwohl sie nicht erreichbar ist, kenne ich ihre Antwort bereits: »Nicht viel, Doki.«
Das könnte reichen. Wenn man dreimal den Laden alleine gewischt hat, will man bestimmt nie wieder etwas essen. Oder gar trinken.
Kamelismus ist ausbaufähig.
Ich könnte Katja fragen, ob sie mir ein paar Jobs auf den Messen zuschustern würde. Da verdient man gut. Man muss nur drei Tage am Stück in entwürdigenden Kostümchen herumlaufen und mit perfekten Zähnen lächeln. Mit einem hübschen Seidenschal die Tätowierung abdecken. Höflich Schnittchen reichen, gepflegte Konversation betreiben mit Menschen, die sich für Yachten, Marmorbadezimmer oder mit Diamanten besetzte Nasenhaarschneider interessieren.
Schon gut. Es hilft niemandem, wenn Katja auch noch ihren Job verliert, nur weil sie die Verrückte eingeschleust hat, die dem Vorstandsvorsitzenden nicht die dort befindlichen Haare, sondern die ganze Nase ausgerupft hat.
Vielleicht sollte ich meine Mutter doch wenigstens anrufen. Ihr die frohe Kunde berichten, dass ich wieder mit Gunnar zusammen bin. Wenn sie gerade in Glückseligkeit darüber schwelgt, doch noch den Schwiegersohn ihrer Träume erhalten zu haben, kann ich ganz diskret nachhorchen, ob es da nicht noch einen Bausparvertrag gibt, der auf meinen Namen ausgestellt ist. Ach nein, mit dem Geld wurden ja damals die Schulden bezahlt, richtig.
Ich werde meine Mutter nächste Woche anrufen, um ihr zu sagen, dass sie nie ein gutes Vorbild in finanziellen Dingen war.
Denk an was Positives, Doris Kindermann. Dein Schlafzimmer sieht super aus. Andi hat sogar die Möbel verrückt, um den gesamten Boden wischen zu können.
Den großen schwarzen Gitarrenkoffer hat er auf meinen Korbsessel gestellt, dessen Sitzfläche darunter eingebrochen ist. Deswegen hat Andi mir einen Fünfziger auf das Nachttischchen gelegt statt eines Zwanzigers.
Ein teuflischer Plan reift in mir: Ich könnte den schweren Koffer auf jedes einzelne meiner Möbelstücke wuchten
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