Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
tanzt, er heißt Poppy und ist Sänger einer regional halbwegs erfolgreichen Reggaeband. Was soll Matthes da groß machen, wegdrängen kann er ihn nicht, dass sähe extrem eifersüchtig und damit uncool aus, sie tanzen ja bloß. Also wibbelt er bloß aufgeregt um die beiden herum, bis ihm die Lust vergeht, und geht dann Bier trinken.
An der Theke trifft er Bernd, der ihn umstandslos in ein Gespräch über dieses World Wide Web verwickelt, das angeblich die Welt revolutionieren wird oder bereits revolutioniert hat. Ich weiß das nicht so genau, es ist wahrscheinlich so etwas wie Bildschirmtext.
Tante Matthes zeigt sich zunächst nur mäßig interessiert; erst als Bernd ihm erzählt, dass der Internethandel mangels einheitlicher Jurisdiktion weitgehend rechtsfreier Raum ist, wird er aufmerksamer und die beiden diskutieren eine Karriere als virtuelle Drogenhändler.
Mich geht das alles nichts an.
Ich stehe hinter der Königin von Saba, Arme um ihre Taille, Hände unter ihrem Bauchnabel gefaltet, und betrachte andächtig ihren Hinterkopf. Es ist ein perfekter Hinterkopf über einem Toffifee-braunen Hals, und wenn die Königin ihr Haupt zu neigen geruht, schwärmt ein Duft von Honig, Zimt und Mädchenschweiß aus ihrem anbetungswürdigen Nacken heraus.
Die Königin von Saba heißt Carina, stammt von fremden Gestaden, genauer gesagt, von denen des Biggesees im Sauerland, lernt in unserer Stadt das ehrbare Handwerk des Krankenschwesterns, und ihr Vater ist Äthiopier, das hat sie mir gleich bei unserem ersten Treffen erzählt. Aber er ist einfach auf und davon, der Arsch, noch vor ihrer Geburt, das hat mir wiederum die Königinmutter erzählt, die gleich hereingeplatzt ist, aber so ist das wohl in Königshäusern, man steht mords unter Beobachtung wegen Thronfolge und dergleichen.
Die Königin von Saba dreht ihr Haupt, streckt ihren ranken Hals, schenkt mir die ganze Schönheit ihres pharaonischen Profils, spricht: »Ich muss pinkeln, halt mal!«, reicht mir ihren Biernapf, und während ich sie fortschweben sehe, denke ich: »Hier ist aber jemand ganz schön über seine Verhältnisse verabredet.«
Wahnsinn, sogar meine Kopfhaut ist Gänse.
Ich schaue ihr noch nach, als sie längst im Gedränge verschwunden ist, und auch noch, als mich ein Mädchen anspricht.
Doppelwahnsinn, was ist denn los heute?
»Hey«, sagt sie, »ich suche jemanden, er hat etwa deine Größe, ist aber schmaler, trägt ein kariertes Hemd und kritzelt ständig in einem Notizblock herum. Hast du den gesehen? Du hast gerade so herumgeschaut.«
Ich nicke.
»Gott sei Dank«, sagt sie. »Ich dachte schon, ich hätte den verloren.«
»Steht hinter dir«, sage ich und zeige auf Bernd. Wir drehen uns um. Bernd steht mittlerweile wieder alleine da, denkt über etwas nach, und das tut er wie immer mit offenem Mund.
Dann greift er in die Tasche und holt seinen Block raus.
»Nee«, sagt sie. »Kommt nah ran, aber das ist er nicht. Der, den ich suche, ist Autist.«
Ich zeige noch mal auf Bernd und suche nach einer Formulierung, aber sie ahnt wohl schon, was ich sagen will.
»Nein, nicht bloß seltsam. So richtig Autist.«
Bernd hat sein Blöckchen wieder in die Tasche gesteckt, bohrt in der Nase und betrachtet dann interessiert das Ergebnis. Wenn er den Popel gleich isst, werde ich behaupten, ihn nicht zu kennen. Aber Bernd schmiert den Popel dem Punk neben ihm an die Lederjacke und schaut ihm dabei lieb ins Gesicht. Der Punk holt aus und klatscht ihm eine, worauf Bernd, ohne eine Miene zu verziehen, wieder sein Büchlein herausholt und die Vorgänge notiert. Der Punk lacht und gibt ihm ein Bier aus. Bernd lacht auch, nimmt das Bier und klatscht dem Punk eine.
»Er ist es trotzdem nicht, der da will bloß Aufmerksamkeit«, sagt sie. Die Frau ist offensichtlich vom Fach.
»Ich kann dir suchen helfen«, sage ich zu meiner eigenen Verwunderung.
Was sage ich denn da? Ich habe das beste Date seit der Jungsteinzeit an Land gezogen, die Eiszeit ist vorbei, die Gletscher haben sich zurückgezogen, und jene fruchtbare Ebene der Weiblichkeit, von der ich all die Jahre in der dunklen Höhle geträumt hatte, liegt in verschwenderischer Pracht vor mir, gleisnerisches Sexversprechen liegt wie eine Wolke Blütenduft in der Luft und was tue ich? Ich erfinde schwiemelige Metaphern, entwickle allergische Abstoßungsreaktionen und fühle mich prompt erleichtert, unter fadenscheinigen Vorwänden durch die Halle stromern zu können, statt weiter mit Carina zu tanzen,
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