Betreutes Wohnen: Ein WG-Roman (German Edition)
verabredet. Jeder kann machen, was er will. Wir führen eine offene Beziehung.«
»Das ist doch pubertäres Gequatsche. Wen willst du damit beeindrucken?«
»Niemanden. Ich sag bloß.«
»Du musst doch irgendwelche Träume haben.«
»Ach …«
»Als ich in deinem Alter war …«
»Helmut!«, brüllt Oma Wittrich, und Matthes hat wieder sein eigenes Gesicht auf.
»Ich komme ja schon«, rufe ich.
Das Sofa macht Furzgeräusche, als ich von der Sitzfläche rutsche.
Vielleicht sollte ich mir wirklich einen Job suchen. Ich werde langsam wunderlich.
6 She’s more than a sex machine, the woman is a human being, knödelt der schwarze Mann mit dem grauen Bart, hebt den Zeigefinger und schwenkt seine Wursthaare. Das Publikum zeigt sich ob dieser brandheißen Erkenntnis jamaikanischer Humanwissenschaften hocherfreut. Der Mann auf der Bühne heißt übrigens Macka mit Vornamen, aber das nur nebenbei.
In der ersten Reihe lassen ein paar Mädchen die Hüften kreisen, so als ob sie den Macka doch noch vom Gegenteil überzeugen wollten, allerdings sieht es weniger nach Sex als nach Geburtsvorbereitungskurs aus, was zwar immerhin ein verwandter Themenbereich ist, den Sänger aber keineswegs von seiner Meinung abbringen kann. Deswegen ruft er noch einmal zur biologisch korrekten Einordnung der Frau auf, ein Schlagzeug setzt scheppernd ein und alle fangen an zu tanzen.
Die Mädchen in der ersten Reihe finden langsam den Groove, die Jungs stehen daneben und starren erst einmal unschlüssig auf die kreisenden Mädchenhintern.
Dann gucken sie, was der Mann auf der Bühne für Bewegungen macht, und tanzen die nach. Leider tanzt er eine Art Schweinsgalopp auf der Stelle, der bei ihm relativ cool, bei den Jungs aber eben nur nach Schweinsgalopp aussieht.
Ein paar Hippies undefinierbaren Alters und Geschlechts kreiseln mit ausgebreiteten Armen lächelnd durch die Menge, damit haben sie schon angefangen, als das Licht noch an war, und wenn die Putzkolonne ihre Jointstummel zusammengekehrt haben wird, werden sie lächelnd zu ihren VW – Bussen zurückkreiseln, einen kiffen und zum nächsten Konzert fahren, denn so schreibt es die Landeshippieverordnung von 1634 vor.
An den Bühnenrändern stehen die Rastas und lassen die Frisuren wippen. Sie tanzen nicht, weil sie niemandem etwas zu beweisen haben. Allein ihre Anwesenheit adelt dieses Konzert, finden sie, und viele von ihnen haben tatsächlich Freikarten bekommen, damit es hier authentischer aussieht. Ab und zu schert einer von ihnen aus, lässt sich zu ein paar schleppenden Schritten Richtung Mädchen hinreißen, aber meist springt dann schnell einer von den Schweinsgaloppjungs dazwischen.
Die haben ohnehin viel zu tun, weil eine Gruppe Jungs in Sportklamotten jetzt den Tanzboden betreten hat, nachdem sie sich alle gegenseitig high five gegeben haben. Sie kommen eher vom Hiphop und haben auch soziobiologisch ihre ganz eigenen Vorstellungen: Sie sind Sexmachines, die Frauen sind auch Sexmachines, bloß die Jungs sind keine, sondern Schweinsgaloppjungs und sollen sich verpissen.
Ein paar von ihnen beginnen die Mädchen breitbeinig anzutanzen und die anderen machen halbherzig mit, weil sie nicht wie Deppen dastehen wollen. Die Mädchen sind nicht durchgängig begeistert, sich hinterrücks von fremden Gemächten anschubbern zu lassen, während von oben Rechtschaffenheit und Respekt gepredigt wird. Deswegen sind sie doch ganz froh über die mitgebrachten Schweinsgaloppjungs, die um sie herumhoppeln und ihnen den Rücken freihalten. Die kommen nämlich tänzerisch eher vom Pogo und sind genau die Richtigen für diesen Job.
Ich sehe Priscilla zu, wie sie geschickt aus der doppelten Beinschere zweier Typen heraustanzt, während Matthes die beiden mit scheinbar absichtslos zuckenden Ellenbogen abdrängt. Dabei grinsen sich alle Beteiligten aufmunternd an, weil dieser Abend ja im Zeichen von Unity und Harmony steht, wie dem Publikum ununterbrochen von der Bühne aus eingeschärft wird.
Priscilla stolpert in einen Rasta, der gemächlich in der Dünung der auf und ab gehenden Bassläufe herumgeschaukelt ist, der dreht sich um, sagt etwas, dann bekommt Priscilla von ihm eine Tüte gereicht. Die beiden tanzen und rauchen und verhalten sich damit vorschriftsmäßig. Schwarze und Weiße sollen nämlich gemeinsam Marihuana rauchen, erklärt der Macka gerade, alles andere sei vollkommen Babylon.
Mittlerweile hat sich Matthes hinterhergekämpft. Ich kenne den Rasta, mit dem Priscilla
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