Betrogen
lassen. »Was tust du für Bruder Gabriel?«
»Das hast du noch nicht herausgefunden?« Er schnalzte mit der Zunge. »Ich hätte gedacht, du hast dieses Rätsel gelöst, nachdem du dich ja mittlerweile als Nancy Drew betätigst. Insbesondere seit deinem Gespräch mit dieser Croft und den Andersons. Die einzelnen Puzzleteile hast du ja schon, nun fehlt dir nur noch das groÃe Bild.«
Obwohl sie überzeugt war, dass Chief genauso gern gewusst
hätte, woher Jem über ihr Treffen mit Linda Croft und den Andersons Bescheid wusste, lieà sie sich auch diesmal nicht vom eigentlichen Thema ablenken. »Hat Gordon sein eigenes Sperma untergeschoben â«
»Sein Sperma? Mein Gott, nein! Was für ein entsetzlicher Gedanke.«
»Deines vielleicht?«
Er lachte. »Ich bin steril. WeiÃt du das nicht mehr?«
»Also das entspricht der Wahrheit?«
»Ja, Melina, das entspricht der Wahrheit. Ich hatte schon vor Jahren eine Vasektomie. Das ist obligatorisch«, konstatierte er nüchtern. »Als Voraussetzung für diesen Job wurde ich sterilisiert.«
Blitzschnell packte Chief Jem am Hemdkragen und schüttelte ihn genauso heftig wie damals in Lawsons Büro. »Jetzt habe ich aber von diesem Herumeiern genug. Welchen Job haben Sie, Hennings?«
»Ich bin ein Wächter. Ich halte über die Auserwählten Wache.«
»Die Auserwählten?«
»Zum Beispiel Gillian. Oder wie schon bald Melina.« Er wandte sich um und schenkte ihr ein Lächeln, bei dem sich die Härchen auf ihren Armen hochstellten. »Ich werde meine Erläuterung so lange unterbrechen, bis mich dieser Wilde loslässt.«
Sie nickte Chief brüsk zu, der Jem nur unter äuÃerster Selbstbeherrschung loslieÃ. Jeden Moment drohte sein Temperament wieder mit ihm durchzugehen.
Jem blieb völlig ungerührt, strich mit entnervender Ruhe sein Hemd glatt, legte den Kragen wieder um und knöpfte die Ãrmel zu. Erst dann fuhr er fort: »Wenn die Frau verheiratet ist bzw. in einer monogamen Beziehung lebt, dient ein Nachbar oder ein Arbeitskollege als Wächter, irgendjemand, der sie aus nächster Nähe im Auge behalten kann. So war es bei Candace Anderson. Ihr Wächter war die Putzfrau, die drei Mal wöchentlich
zu ihr nach Hause kam. Aber bei Singlefrauen wie Gillian werden Männer wie ich als Partner ins Spiel gebracht.«
»Sie wurde dir zugewiesen?«
»Seit ihrem ersten Beratungstermin in der Klinik.«
»Also seid ihr euch gezielt begegnet?«
»Jawohl, Melina«, erwiderte er geduldig und herablassend. »Ich wurde zu ihr gesandt wie ein Schutzengel. Da sie unschlüssig war, ob sie sich künstlich befruchten lassen sollte oder nicht, habe ich sie ermutigt und ihr versichert, dies sei ein vernünftiger Entschluss, bei dem ich sie, als ihr Partner, hundertprozentig unterstützen würde.«
»Vom Tage ihrer Befruchtung an hätte ich sie mit Zuneigung überschüttet. Leider hatte ich dazu keine Gelegenheit, nicht wahr? Wie sich herausgestellt hat, habe ich stattdessen meine Zuneigung in jener Nacht, als ich das Ereignis mit ihr feiern wollte, an dich vergeudet.«
»Jem, warum wurde Gillian getötet?«
Statt einer direkten Antwort fuhr er auf seine Weise mit der Erklärung fort: »Wenn Gillian nicht beim ersten Versuch schwanger geworden wäre, hätte ich sie zu einem erneuten Versuch gedrängt. Hätte es aber gleich beim ersten Mal geklappt, nun, dann hätte ich sie während der gesamten Schwangerschaft gehegt und gepflegt und wie eine Prinzessin behandelt. Denn sie war ja tatsächlich zu Höherem auserwählt.«
»Man hätte Gillian erhöht und verehrt. Ich hätte dafür gesorgt, dass man ihr jeden Wunsch und jedes Bedürfnis erfüllt hätte. Ich hätte sie überwacht und sichergestellt, dass sie nichts täte, was dem Kind, das sie unter dem Herzen trug, hätte schaden können, und dass sie nicht vom rechten Wege abgewichen wäre.« An dieser Stelle funkelte er Chief böse an. »Aber genau das hat sie natürlich getan. Mit Ihnen. Sie haben sie befleckt. Sie haben sie für den GroÃen Plan wertlos gemacht.«
Chief ballte die Fäuste. »Also ist es wahr. Sie haben Gillian töten lassen, weil sie die Nacht mit mir verbracht hat?«
Drohend machte er einen Schritt auf Jem zu, was sie mit ausgestrecktem Arm verhinderte.
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