Betrogen
Beifahrerin sind Sie ein echter Angsthase«, stellte Chief fest, als ihn eine rote Ampel zum Halten zwang.
»Und Sie verhalten sich hinter dem Steuer wie ein Irrer.«
»Sie sagten, ich solle mich beeilen. Also habe ich mich beeilt. Wenn ich doch nur mein eigenes Auto hätte.«
»Auch das noch. Wenigstens eins, das für diese Schrottkarre spricht.«
Im Grunde war sie froh, dass Chief fuhr. Sie war eine gute Fahrerin, die mit Schleichern auf der StraÃe wenig Geduld hatte. Trotzdem hätte sie nie so viel riskiert wie er. Er fuhr gut, aber viel zu schnell und so tollkühn, dass ihr schon mehr als einmal das Herz in die Kniekehle gesackt war. Wenn er aber mit seinem Fahrstil ein paar Minuten herausschinden konnte, dann umso besser. Sie fieberte der Auseinandersetzung mit Jem förmlich entgegen.
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»Inzwischen sind sie auf dem Weg hierher.« Erleichtert konnte Jem dies an Mr. Hancock berichten. Seine vorherigen Meldungen waren nicht so positiv gewesen.
»Sind Sie sicher?«
»Sie haben den direkten Weg aus dem Norden von Dallas genommen. Natürlich könnten sie auch anderswohin fahren, aber es sieht so aus, als seien sie auf dem Weg zu mir.«
Melinas und Chiefs Besuch bei den Andersons erwähnte er bewusst nicht. Als Joshua mit seinem Freund endlich in dem Vorort ankamen, waren die Andersons längst auf und davon, und vor dem Haus parkte ein Streifenwagen. Ein unglücklicher Rückschlag, aber keine Katastrophe. Irgendwann würde das Ehepaar schon wieder auftauchen.
AuÃerdem: Wer hätte etwas davon, wenn man auch noch Bruder Gabriel darauf aufmerksam machen würde? Damit gäbe man ihm nur einen weiteren Grund zur Sorge.
Auch die Sache mit Linda Croft hatte er nicht weitergegeben. Diesen Befehl hatte er selbstständig erteilt. Kaum hatte ihm Joshua berichtet, was Melina auÃer dem Einbruch in seine Wohnung noch alles verbrochen hatte, wies er Joshua an, die Krankenschwester für immer verstummen zu lassen. Obwohl es zweifelhaft war, dass sie Dinge wusste, die Schaden anrichten konnten, zog er es vor, bereits die Möglichkeit dazu ein für allemal auszuschlieÃen.
Was für ein anstrengender und ereignisreicher Tag! Dank Melina und ihrem Indianerfreund musste sich Bruder Gabriel mit allen möglichen unangenehmen Dingen belasten. Warum sollte er diese Situation noch verschlimmern, indem er ihm von Linda Croft und den Andersons erzählte? Er ersparte das Bruder Gabriel und erwies ihm damit einen Gefallen.
»Es kann sich nur noch um Minuten handeln«, erklärte er nun Hancock. »Nach dem letzten Bericht waren sie schon an der StraÃenkreuzung. Sie werden gleich â Ah, jetzt läutetâs bei mir. Bitte, bleiben Sie dran, Mr. Hancock.«
Er ging zur Sprechanlage neben seiner Tür und hob den Hörer ab. »Ja?«
»Mr. Hennings, Sie haben Besuch.«
»Oh, wer denn?«
»Die junge Dame, die sich heute schon mal als Ihre Verlobte ausgegeben hat.« Er hatte dem neuen Wachmann eine kräftige Lektion erteilt, weil er seine Verlobte in seine Wohnung gelassen hatte, obwohl seine Verlobte schon seit vier Tagen tot war. Mittlerweile bequemte sich dieser Mensch eines gebührend untertänigen Tons. »Sie ist in Begleitung eines Herrn.«
»Schicken Sie sie bitte hoch.«
»Jawohl Sir, Mr. Hennings.«
»AuÃerdem, Harry, werden in Kürze zwei weitere Herren kommen. Wenn es so weit ist, schicken Sie sie gleichermaÃen hoch. Dafür brauchen Sie vorher nicht bei mir zu läuten.«
»Klare Sache, Sir.«
»Und kein Wort zu Miss Lloyd über den späteren Besuch.«
»Nein, Sir.«
Jem wandte sich wieder seinem Telefonat mit Hancock zu. »Sie sind da, schon auf dem Weg nach oben. Joshua wird ihnen dicht auf den Fersen sein.«
»Mr. Hennings, der Frau darf kein Haar gekrümmt werden.«
»Haben Sie mir doch schon erklärt.«
»Bruder Gabriel hat sich diesbezüglich sehr genau geäuÃert. Er wünscht, dass sie nicht verletzt wird, jedenfalls nicht ernsthaft.«
»Ich verstehe«, sagte er, obwohl das Gegenteil der Fall war. Warum zog Bruder Gabriel nicht einfach einen Schlussstrich? Warum Melina schonen? Der GroÃe Plan war auf sie nicht angewiesen. Es gab auf der Welt tausende anderer Frauen, die ihren Zweck genauso gut erfüllen würden wie sie und dabei weitaus weniger Schwierigkeiten bereiteten.
Vermutlich konnte Bruder
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