Betrogen
»Gute Taktik«, murmelte er.
Erst nach ungefähr vierhundert Metern hielt es an. Obwohl Longtree den Wagen nicht mehr sehen konnte, hörte er, wie der Motor ausging. Heute Abend verschluckte kein Wind das Geräusch. Aber auch ein Sturm hätte keinen Unterschied gemacht. Auf diesem Stück Land hatte er sein ganzes Leben zugebracht. Er kannte die nächtlichen Geräusche und konnte sie unterscheiden.
Er wartete mit der Geduld eines verwitterten Felsens. Er verfügte über eine ausgezeichnete Nachtsicht, ein echter Vorteil, wenn der Mond, so wie heute, nur als schmale Sichel zu sehen war. Binnen weniger Minuten registrierte er eine Bewegung in Tornähe. Bei genauerem Hinsehen machte er zwei Männer aus, die erst zögerten und sich dann im Schutz der Schatten langsam geduckt ans Haus anschlichen. Drinnen hatte Longtree jedes Licht brennen lassen. Aus den Wohnzimmerfenstern drang kaltes Blaulicht, ein Zeichen, dass der Fernseher lief. Gedämpft konnte er den Ton einer Krankenhausserie hören.
Aber diese Männer würden nicht ins Haus gehen, jedenfalls nicht gleich. Nicht, wenn sie tatsächlich über ein so raffiniertes Spurensuchgerät verfügten, wie Hart vermutet hatte. Sie würden Melina im Schuppen suchen, der ungefähr zweihundert Meter hinter dem Haus lag.
Unter Longtrees wachsamen Augen berieten sie sich leise im Schatten eines Wassertrogs direkt in der Pferdekoppel und entfernten sich dann in Richtung Schuppen, wo er den Sender versteckt hatte. In weiser Voraussicht hatte er drinnen im Schuppen eine Laterne brennen lassen, damit sie ihn im Dunkeln besser finden konnten.
Keine zehn Meter von ihm entfernt gingen sie vorbei, ohne
seine Gegenwart auch nur im Geringsten wahrzunehmen. Nur er bekam auf diese Weise einen besseren Eindruck von ihnen. Einer ein Schwarzer, der andere weiÃ. Das waren die Männer. Als sie ein gutes Stück an ihm vorbei waren, kroch er aus seinem Versteck hinter dem Brennholzstapel und folgte ihnen.
Wegen ihrer Tarnung benötigten sie fast fünf Minuten für die Strecke zwischen Haus und Schuppen. Als Longtree zu der Stelle kam, die er sich vorher als günstigen Aussichtspunkt gewählt hatte, war er auÃer Atem. Trotzdem hatte er sich nie lebendiger gefühlt als jetzt, an diesen Felsbrocken gelehnt. Er atmete tief, aber leise, ein.
Er beobachtete, wie sich die beiden Männer gegen die äuÃere Schuppenwand pressten und daran entlang schoben, bis sie links und rechts neben der Tür standen. Einer gab ein Zeichen. Der andere trat die Tür ein, dann stürmten beide mit gezückten Pistolen hinein.
Plötzlich drangen überraschte Rufe und laute Flüche durch die stille Nacht. Sie hatten erwartet, Melina Lloyd und Christopher Hart drinnen zu finden â und keine stinkenden Kuhfladen, die Longtree dort vor dem Verkauf als Dünger lagerte.
Hustend rangen sie nach Luft und versuchten, die Fladen von den Schuhen zu stampfen. So stolperten sie wieder ins Freie, wo sich Männer auf sie stürzten, die flach auf dem Schuppendach gelegen hatten und nur auf die Gelegenheit zum Losschlagen warteten.
Der Schwarze schaffte es, blindlings noch ein paar Salven aus seiner halbautomatischen Pistole abzufeuern, ehe ihn ein junger Mann mit einem markerschütternden Schrei, bei dem selbst Longtree zusammenzuckte, zu Boden warf. Ein anderer feuerte sein Gewehr in den Nachthimmel ab, während er unsanft auf dem WeiÃen zu liegen kam.
Die Jungs hatten ihren SpaÃ.
Kaum waren die beiden entwaffnet, riss man sie in die Höhe, legte ihnen rücklings Handschellen an und schob sie nach vorne. Aus der Dunkelheit kam eine Lanze geflogen und bohrte
sich nur wenige Zentimeter von ihren FüÃen entfernt in die Erde, wo sie noch eine Weile bedrohlich schwankte, ehe sie still stand.
»Heiliger Strohsack«, rief der WeiÃe mit zittriger Stimme.
»Haltâs Maul«, befahl der Schwarze.
Longtree trat hinter seinem Felsblock hervor und näherte sich gravitätisch. Er hatte seinen prächtigsten Kopfputz aufgesetzt, nur zur Show, aus reinem SpaÃ. Beim Näherkommen sah er, dass die Einschüchterungstaktik wirkte. Sogar der Schwarze war etwas kleinlauter geworden.
Longtree baute sich vor dem Duo auf und sagte unerträglich lange keinen Ton, bis der Schwarze schlieÃlich schallend loslachte. »Zum Teufel, wer bist du denn? Geronimo?«
Einer der Jungs rammte ihm seinen Flintenlauf
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