Betrogen
Schlauberger oder ein Dummkopf?«
»Ganz gerissen, wie schon gesagt. Spricht leise, ist wachsam und todschick gekleidet.«
»Und Lawson?«
»Sieht aus und benimmt sich wie ein ehemaliger Boxer. Ist nicht so raffiniert wie Tobias.«
Mit einem selbstgefälligen Lächeln strich sich der Prediger übers Kinn. »Ich wette, dass sie wie Topf und Deckel zusammenpassen und schon sehr gespannt sind, wo Melina Lloyd auftauchen wird.«
»Anscheinend bereitet sie ihnen groÃe Sorgen. Ich habe meine Hilfssheriffs angewiesen, jedes Motel im Bezirk zu kontrollieren, ob sie irgendwo eincheckt.«
»Sie ist unglaublich klug. Sie wird dort auftauchen, wo Sieâs am wenigsten vermuten. Haben Tobias und Lawson Colonel Hart erwähnt?«
Ritchey schüttelte den Kopf. »Wer ist das?«
»Ah, Mary«, rief Bruder Gabriel, wobei sein Blick zu einem Punkt hinter Ritcheys Schulter wanderte. »Komm her, mein Schatz.«
36
Noch im Umdrehen erkannte Sheriff Ritchey sie wieder. Dasselbe Mädchen hatte er in dieser Woche schon einmal gesehen. Offensichtlich kam sie geradewegs aus Bruder Gabriels Bett, genauso offensichtlich war sie der Grund, warum sich der Prediger schon am frühen Abend zurückgezogen hatte. Ihr dunkler Lockenschopf war zerzaust, ihre Wangen gerötet. Sie trug einen weiÃen und viel schlichteren Bademantel als Bruder Gabriel, war darunter aber genauso nackt wie er.
Der Bademantel betonte ihre Schwangerschaft noch mehr als die Schuluniform, die sie bei seinem letzten Besuch hier getragen hatte. Ihre Brüste waren schwer, ihr Bauch so überdehnt, dass der Nabel hervortrat und sich unter dem Stoff abzeichnete.
Wie damals zog Bruder Gabriel sie auf seinen SchoÃ. »Nun sehen Sie, Sheriff, weshalb ich heute Abend nur ungern mein Bett verlassen habe.«
Ritchey konnte nicht antworten, geschweige denn nicken. Die offenherzige Kleidung des Mädchens und die damit zur Schau gestellten Andeutungen stieÃen ihn ab. Am liebsten wäre er davongerannt. Er wollte sich verzweifelt an seine Illusionen über Bruder Gabriel klammern, statt zu bleiben und deren totale Zerstörung zu erleben.
Bruder Gabriel streichelte die rosigen Mädchenwangen. »Mary ist schon im zarten Alter zu mir gekommen, daher konnte ich sie angemessen ausbilden. Das hat sich für uns beide ausgezahlt. Nicht wahr, Mary?«
»Ja, Bruder Gabriel.«
»Offen gestanden, hat sie sich heute Abend ein wenig über mich geärgert.« Spielerisch tippte er gegen ihren Schmollmund. »Wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft musste ich sie sehr, sehr vorsichtig und sanft behandeln. Auf keinen Fall darf das Kind in Mitleidenschaft gezogen werden.
Nicht wahr, Mary?« Er strahlte das Mädchen an. »Selbstverständlich war ihr ursprünglicher Name nicht Mary. So habe ich sie nach ihrem Eintritt in den Tempel getauft. Wie hast du denn vorher geheiÃen?«
Sie hob die Schultern.
»Mr. Hancock, erinnern Sie sich noch?«
»Oleta.«
»Oleta?« Bruder Gabriel stieà ein hässliches Lachen aus. »Ein Hinterwäldlername. Eine unangenehme Erinnerung an meine Jugend. Kein Wunder, dass ich ihn gegen einen passenderen eingetauscht habe.« Er spielte mit einer dunklen Locke des Mädchens, dann wanderten seine Finger streichelnd zu ihrer Brust. »Können Sie sich vorstellen, wie reizend es aussehen wird, wenn das Baby an diesen Brüsten saugt?«
Ritchey brachte keinen Ton mehr heraus. Sein Hut war zu Boden gefallen, aber er hatte ihn nicht aufgehoben. Er hatte es nicht einmal bemerkt. Mit wachsendem Ekel sah er zu, wie Bruder Gabriel das Mädchen tätschelte. In blindem Gehorsam protestierte sie nicht und zeigte auch keinerlei Schamgefühl, sondern schnurrte sogar wie ein Kätzchen. Er und Mr. Hancock hätten ebenso gut abwesend sein können. Sie nahm keinen von ihnen zur Kenntnis. Ihre Aufmerksamkeit galt einzig Bruder Gabriel.
»Natürlich hat es auch einen Nachteil, dass Mary schon so lange hier ist«, merkte Bruder Gabriel nebenbei an. »Die Uneingeweihten würden ihr Leben im Tempel falsch verstehen und sie verunglimpfen. Wer könnte ihren Alltag hier begreifen? Bei jedem Hinsehen scheint sie mir wie ein heiliges GefäÃ, das man lieben und ehren sollte.
Aber die Feinde unserer Kirche würden sie in einem ganz anderen Licht betrachten. Sie gäben ihr hässliche Namen und würden entsetzlich über
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