Betrogen
so.«
Bruder Gabriel lachte in sich hinein. »Rache? An mir? Weswegen? Sie gibt doch wohl nicht mir die Schuld an dem, was ein Verrückter ihrer Schwester angetan hat.«
»Auf der Jagd nach Antworten hat sie in Dallas jede Menge Unruhe gestiftet. Anscheinend hat sich Dale Gordon Gillian Lloyd nicht zufällig ausgesucht. Er kannte sie über eine gynäkologische Klinik, wo sie künstlich befruchtet wurde. AuÃerdem wurde gestern Abend Gillian Lloyds Verlobter erschossen. Tobias vermutet dahinter einen Profikiller. Melina Lloyd hat das alles ziemlich mitgenommen und glaubt, die Antwort läge bei Ihnen bzw. bei Ihrer Kirche, zu der Gordon und Hennings, der Verlobte, Kontakt hatten.«
Es dauerte mehrere Augenblicke, bis Bruder Gabriel das alles verdaut hatte. Seine langen Finger glitten über das geschliffene Bleikristall. SchlieÃlich sagte er: »Mich macht nur eines neugierig: Warum ist das FBI zuerst zu Ihnen gekommen? Wenn Tobias ernsthaft glaubt, dass sich diese Frau aus ihren eigenen unlogischen Gründen an mir rächen will, warum ist er dann mit dieser Warnung nicht direkt zu mir gekommen?«
»Weilâ¦Â« Vor diesem Punkt hatte sich Ritchey gefürchtet, und nun war es so weit. Er spürte, wie ihm unter den Achseln und im Schritt der Schweià ausbrach. Trotz seines Räusperns klang seine Stimme dünn. »Weil er der Meinung ist, dass ihre Schlüsse möglicherweise richtig sind.«
Wieder herrschte lange Schweigen. Bruder Gabriel regte sich nicht und zeigte äuÃerlich auch keine Anzeichen von Besorgnis. Nur am kalten Glitzern seiner Augen merkte man, dass es in ihm tobte. Vor Wut, vermutete Ritchey. Millionen Jünger betrachteten ihn als Heiligen, als Propheten, als Erlöser. Wenn es hieÃ, er sei in mehrere Mordfälle verwickelt, käme das sicher nicht gut an.
»Das hat Tobias gesagt?«
Ritchey hatte das Gefühl, nun dürfe er wieder unbesorgt atmen. »Nicht direkt, aber er hat eine Menge Suggestivfragen gestellt. Daraus konnte man leicht erkennen, was er im Schilde führt.«
Bruder Gabriel stützte seinen Ellbogen auf die gepolsterte Sessellehne, schmiegte das Kinn in die Hand, legte seinen Zeigefinger an die Wange und lauschte erwartungsvoll. Ritchey hatte verstanden und wiederholte wortwörtlich sein Gespräch mit Lawson und Tobias.
Am Schluss benetzte er nervös seine Lippen. »Bruder Gabriel, bei allem Respekt muss ich Ihnen doch mitteilen, dass ich ein wenig nervös werde, wenn das FBI ins Spiel kommt.«
Der Prediger winkte seinem Assistenten, er möge nachschenken. Ritchey wartete, so lange Mr. Hancock die Karaffe holen ging. Dann sah er zu, wie die goldene Flüssigkeit tropfenweise aus der Karaffe in den Schwenker glitt. Das Einschenken ging so gekonnt vor sich, dass es nicht einmal plätscherte. Bruder Gabriel rollte den Schwenker zwischen den Händen, um den Cognac zu erwärmen.
»Was meinen Sie mit dieser Aussage genau, Sheriff Ritchey? Weshalb sind Sie nervös, wenn das FBI ins Spiel kommt?«
»Nun⦠Ich meine⦠dass ich mich nicht allzu weit vorwagen kann, ohne selbst den Kopf zu riskieren. Bei Regierungsagenten kann ich mich nicht so ⦠so vage ausdrücken wie bei anderen Leuten, die schon herum geschnüffelt und Fragen über das Leben hier oben auf dem Gelände gestellt haben.«
Bruder Gabriel hielt den Schwenker gegen die Schreibtischlampe und ergötzte sich an der Cognacfarbe, durch die das Licht schimmerte. »Mit anderen Worten: Damit wäre Ihre Loyalität zu mir einer Probe unterworfen.«
»Nein. Nein, Sir. Sie haben meine Loyalität. Das wissen Sie. Aberâ¦Â«
»Was aber?«
»Aber hier ist vom Federal Bureau of Investigation die Rede. Diese Leute lassen sich nicht an der Nase herumführen. Wenn
die zu der Ãberzeugung kommen, ich decke jemanden⦠Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Wenn es hart auf hart kommen sollte, müsste ich meine eigenen Interessen schützen. Sicher werden Sie das verstehen.«
Bruder Gabriel lächelte. »Natürlich tue ich das. Das verstehe ich nur allzu gut. Weil auch ich meine Interessen schützen muss.« Er schaute zu Hancock hinüber, der sofort auf einen stummen Befehl reagierte, das Zimmer durchquerte und durch die goldene Doppeltür Bruder Gabriels Schlafzimmer betrat.
»Schildern Sie mir Tobias«, sagte Bruder Gabriel im Plauderton. »Ist er ein
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