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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Weltbedeutung zu erlangen. In Bälde würde er Geschichte schreiben. Dann wäre
sein Name unsterblich, ohne dass er dafür den Märtyrertod hätte sterben müssen.
    Eigentlich sollte sich jemand seines Formats nicht den Kopf über Spinner zerbrechen, die ihm grollten. Er stand weit über den Melina Lloyds dieser Welt. Im Vergleich zu ihm und seiner Bedeutung für die Zukunft der Menschheit waren sogar Mordkommissare, FBI-Agenten und Raumfahrer Pissnelken und Fliegendreck.
    Sheriff Ritchey stand in der Nahrungskette so weit unten, dass man ihn getrost vernachlässigen konnte. Und doch war es ihm gelungen, Bruder Gabriels Abend zu verderben. Und das konnte man nicht dulden.

37
    Sie hatten es nicht geschafft, Lamesa vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, aber zu sehen gab es dort ohnehin nicht viel. Das Zentrum bestand aus ein paar Geschäftshäusern, die sich wie an einer Wäscheleine links und rechts der Bundesstraße hinzogen.
    Chief sah die unumgängliche Bank, eine Poststelle, einen Supermarkt und eine Apotheke, die gleichzeitig als Friseursalon diente. Ein Wohnmobil hatte man zur öffentlichen Bücherei umgewandelt. Bei Marta’s konnten sich die Damen von Lamesa ihre Haare und Nägel richten lassen und gleichzeitig frittiertes Indianerbrot kaufen, hausgemacht. Außerdem gab es ein einziges Motel, das Reisenden mit blinkender Neonschrift ›Zimmer frei‹ signalisierte. An diesem Abend stand auf dem Parkplatz ein einsames Auto.
    Die öffentliche Schule umfasste alles, von der Vorschulstufe bis zur Abschlussklasse, und belegte vier Hektar am Stadtrand. Die Wohnbezirke bestanden aus kleinen Ansammlungen von Häusern, die ringsherum verstreut lagen.

    Â»Melina, hast du schon mal frittiertes Brot gegessen?«
    Â»Was ist das?«
    Â»Köstlich. Dabei fällt mir ein, wie hungrig ich bin.« Ohne sie zu fragen, blieb er an einer Imbissbude stehen, in der gerade mal ein Ofen Platz hatte. Trotzdem wurden Burger, Huhn und Tacos angeboten. »Longtrees Frühstück ist aufgebraucht.«
    Trotz Melinas Nicken wusste er genau, dass ihr nicht der Sinn nach Essen stand. Sie hatte nur noch Augen für den Berg, der sich am westlichen Stadtrand aus der Wüste erhob. Auf seinem Gipfel lag ihr Ziel: der Tempel.
    Chief versuchte, ein ungutes Gefühl abzuschütteln, und fragte Melina, was sie essen wolle. »Mir ist alles recht.«
    Er stieg aus und trat ans Fenster. Ein einzelner Mensch war hier für alles zuständig: Der Mann an der Kasse nahm nicht nur seine Bestellung entgegen, sondern frittierte auch panierte Hähnchenstücke und Kartoffelscheiben und reichte sie Chief danach durchs Fenster. Sie aßen in der Fahrerkabine des Pick-ups, von der sie einen freien Blick auf den Berg hatten.
    Â»Ketchup? Salz?« Er bot Melina je ein Tütchen an.
    Â»Danke.«
    Chief zerstieß mit seinem Strohhalm das Eis im Trinkbecher. Das anzügliche Quietschen am Plastikdeckel brachte ihn zum Lachen.
    Â»Was ist?«, wollte sie wissen.
    Â»Nichts. Reiner Männerjux.«
    Â»Lachst du, weil es wie ein Furz klingt?«
    Â»Melina, was für ein Ausdruck! Ich bin schockiert.«
    Â»Du? Der ungekrönte NASA-Champion für derbe Sprüche und obszöne Flüche?«
    Er grinste. »Wie schön, dass du nicht so zimperlich bist. Du weißt es zu schätzen, wenn sich ein Mann wie ein Mann benimmt.«
    Â»Wie ein kleiner Junge, meinst du wohl.«
    Er grinste noch mehr. »Mit dir auszugehen, würde Spaß machen.«

    Â»Was?«
    Â»Ausgehen. Du weißt schon, zum Essen. In ein Restaurant.«
    Â»Oh.«
    Schlagartig fiel ihnen das Absurde an ihrer Situation auf. Sie hatten zwar so intim miteinander verkehrt, wie es zwischen zwei Menschen nur möglich war, waren aber nie zusammen ausgegangen. Doch dieses Territorium ließ man besser unerforscht.
    Sie musste Ähnliches gedacht haben, denn auch sie versuchte, weiterhin einen leichten Ton anzuschlagen. »Ich erinnere mich noch an Restaurants«, meinte sie, während sie Ketchup von den Fingern schleckte. »Ich weiß sogar, wie man mit Besteck umgeht.«
    Â»Ich auch. Wenn ich einen guten Tag habe.« Sie lächelten einander an.
    Doch der Berg drohte. Trotz ihres Bemühens um eine banale Unterhaltung besaß er eine Ausstrahlung, die sich keinen Augenblick ignorieren ließ. Sogar aus mehreren Kilometern Entfernung schien die Siedlung auf dem Gipfel vor

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