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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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wieder in Houston sein, wo seine berufliche Verantwortung und ein voller privater Terminkalender dafür sorgen würden, die Erinnerung an seinen Abend mit Gillian samt seinem schrecklichen Nachspiel verblassen zu lassen.
    Dass er auch nur einen Augenblick länger als nötig in Dallas geblieben war, war an und für sich schon überraschend. Vermutlich trieben ihn Schuldgefühle dazu, einer Frau die letzte Ehre zu erweisen, mit der er in der Nacht vor ihrer Ermordung geschlafen hatte.
    Eines musste man ihm zugute halten: Nach außen wirkte er gebührend ehrerbietig. Er tat nichts, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Eigentlich schien er sich so unsichtbar
wie möglich zu machen. Obwohl dieser Versuch auf Grund seiner Popularität vergeblich war, bewunderte sie ihn dafür.
    Der Pfarrer, den sie um die Messe gebeten hatte, kam auf sie zu und fragte, ob sie bereit sei. Dann könnte der Gottesdienst beginnen. Auch wenn es schwierig würde, während der Lesungen und Hymnen die Tränen zurückzuhalten, hoffte sie, ihre Fassung bewahren zu können.
    Einen von Gillians Arbeitskollegen hatte man um die Trauerrede gebeten. Es waren beredte Worte: »Eine quicklebendige junge Frau wurde grausam aus unserer Mitte gerissen. Das zu begreifen fällt uns noch immer schwer. Ich glaube, es wäre Gillians Wunsch, wenn wir diese Tragödie dazu nutzen würden, uns täglich in Erinnerung zu rufen, wie wertvoll und wunderbar das Leben ist. Das ist, für mich, ihr Vermächtnis, das sie uns hinterlässt.«
    Â»Schön gesprochen. Und außerdem hat er Recht, Melina«, flüsterte ihr Jem zu, wobei er ihre Hand drückte.
    Nach dem Segen stand sie draußen unter einem regenschweren Himmel, schüttelte unzählige Hände, wurde oft umarmt und hörte sich Geschichten über Gillian an, die ihr die Leute erzählten. Endlich machten sich auch die Nachzügler auf den Weg zum Parkplatz, in der Hoffnung, dem Regen zuvorzukommen.
    Â»Ms. Lloyd?« Zu guter Letzt trat eine Mittfünfzigerin auf sie zu. Sie hatte eine untersetzte und doch kompakte Figur und ein freundliches Gesicht; sie wirkte zupackend. »Ich heiße Linda Croft und arbeite in der Waters Klinik. Ihre Schwester war ein reizender Mensch. Da ich ihr nur ein paar Mal begegnet bin, halten Sie es hoffentlich nicht für vermessen, dass ich zu ihrer Messe gekommen bin.«
    Â»Ganz und gar nicht, Ms. Croft. Ich schätze Ihr Kommen sehr.«
    Â»Ich kann nicht glauben, dass sie tot ist. Ich habe sie noch Anfang dieser Woche gesehen.«
    Â»Sie war ja noch am Tag vor ihrer Ermordung in der Klinik, nicht?«

    Â»Dann wussten Sie also, dass sie unsere Patientin war?«
    Â»Ich wusste, dass sie sich künstlich hat befruchten lassen. Damit geben Sie keine vertraulichen Informationen preis. Zwischen meiner Zwillingsschwester und mir gab es keine Geheimnisse.«
    Â»Die Ähnlichkeit zwischen Ihnen ist verblüffend«, bemerkte die Frau. »Bei Ihrem Anblick in der Kapelle stockte mir der Atem. So, als wäre die Nachricht von ihrer Ermordung ein schreckliches Versehen gewesen.«
    Â»Wenn’s nur so wäre.«
    Linda Croft streckte die Hand aus und berührte ihren Arm. »Es tut mir sehr Leid für Sie. Ein schrecklicher Verlust.«
    Â»Ja, das ist es.« Aus dem Augenwinkel entdeckte sie Jem, der ungeduldig auf dem Parkplatz wartete und sie zum Wagen winkte. Es hatte zu nieseln begonnen. Er spannte einen Schirm auf, einen knallroten. Nie wieder würde sie diese Farbe sehen, ohne an die mit Blut geschriebenen Worte zu denken. Plötzlich fröstelte sie. Sie wehrte sich dagegen und meinte: »Nochmals vielen Dank, Ms. Croft, dass Sie gekommen sind.«
    Â»Und ich dachte, wir hätten in der Waters Klinik schon genug Tragödien gehabt. Nach allem, was mit dem Anderson-Baby passiert ist. Ach, meine Liebe, hoffentlich habe ich Sie jetzt nicht zu sehr mit Beschlag belegt.« Zur Erklärung für ihren abrupten Themenwechsel deutete Linda Croft mit dem Kinn auf eine große Gestalt, die sich allmählich entfernte. »Tut mir Leid, ich fürchte, ich habe ihn von einem Gespräch mit Ihnen abgehalten. Er hat die ganze Zeit gezögert und darauf gewartet, dass ich fertig werde. Ich hätte nicht einfach so weiterplappern sollen.«
    Auf dem Gehweg lief Christopher Hart, ohne sich um den leichten Regen zu kümmern, ja, er schien ihn nicht einmal zu bemerken.

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