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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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sich noch mehr wie ein Drecksschwein als davor.
    Melinas Vorwürfe draußen vor Gordons Wohnung hatten ins Schwarze getroffen. Er hatte sich tatsächlich von den Ermittlungen distanzieren wollen. Er hatte gelogen und mit Gillian geschlafen. Melina hatte den Nagel auf den Kopf getroffen: Er hatte versucht, sich nicht allzu sehr in die Sache hineinziehen zu lassen. Und nicht nur in diesem Fall, auch sonst, besonders bei Menschen. Vermutlich wäre es ein Fest für Psychologen, zu analysieren, warum er Menschen regelmäßig auf Distanz hielt, warum seine Reviergrenze weiter draußen lag als bei den meisten.
    Obwohl er nun wirklich kein Einsiedler war. Eigentlich war er sogar gerne mit Menschen zusammen, war gesellig und fühlte
sich in der Menge wohl. Er bekam keine weichen Knie, wenn er vor Publikum sprechen musste, und war auch nicht kamerascheu.
    Trotzdem war er nur bis zu einem gewissen Maße zugänglich. Die öffentliche Person war das eine, der Privatmensch etwas ganz anderes. Sobald jemand Chief zu nahe kam und an Christophers Oberfläche zu kratzen begann, trat er auf die Bremse.
    Beruflich brachte ihm sein distanziertes Verhalten Vorteile. Er hatte mit kühlem klarem Kopf Kampfjets geflogen und sich nie einen Gedanken an die potenzielle Zerstörung gestattet, die sie anrichten konnten. Wenn es darum ging, eine Shuttle-Mannschaft zu führen und harte Maßnahmen zu treffen, die zwischen Erfolg und Scheitern, ja sogar zwischen Leben und Tod entscheiden konnten, war ein gewisses Maß an Neutralität unerlässlich.
    In seinem Privatleben jedoch hatte diese Neutralität zu Problemen geführt. Deshalb hatte es nie eine dauerhafte, tiefer gehende Beziehung zu einer Frau gegeben, deshalb hatte er nie geheiratet. Eine intakte Ehe erforderte eine Bereitschaft für Gefühle, die er nicht aufbringen wollte. Als er Longtree und Abbott erklärt hatte, er ziehe auch in Zukunft seine Unabhängigkeit vor, war das brutal ehrlich gemeint gewesen. Alles andere als diese Unabhängigkeit war zu kostspielig.
    Er akzeptierte diesen Charakterzug, den manche als Fehler bezeichnen mochten. Und trotzdem: Noch mieser als jetzt konnte er sich nicht fühlen, was mit dem Schicksal von Gillian zusammenhing. Denn dazu war es nur gekommen, weil man sie mit ihm zusammen gesehen hatte. Was dachte Melina nur? Dass er aus Stein sei? Er empfand tiefes Mitgefühl. Sogar Alan Birchman hatte ihn angewidert, der auf Lawsons Entwarnung mit Erleichterung reagiert hatte.
    Â»Mr. Hart, Sie sind aus dem Schneider«, hatte ihm der Anwalt aufgekratzt erzählt. »Sie dürfen fröhlich Ihrer Wege gehen. Ihre Nacht mit Gillian Lloyd hätte Sie richtig was kosten
können, aber dank Mr. Gordon können Sie sie als Gratisgeschenk betrachten.«
    Er hatte Birchmans Worte als geschmacklos empfunden. Schließlich drehte sich das Gespräch um zwei Todesfälle, einen unschuldigen, einen erbärmlichen, aber beide tragisch. Obwohl er froh war, nicht mehr durch polizeiliche Ermittlungen und alles, was damit zusammenhing, belastet zu sein, teilte er die blasierte Haltung des Anwalts nicht.
    Außerdem, eines wusste weder der Anwalt noch sonst jemand: Für diese Nacht mit Gillian hatte er tatsächlich einen hohen Preis bezahlt. Er würde sie nicht vergessen, noch lange nicht. Sie hatte die letzten Stunden ihres Lebens mit ihm verbracht, und das verlieh ihrer gemeinsamen Zeit eine ganz besondere Bedeutung.
    Darüber hinaus – na schön, Chief, spuck’s doch endlich aus. Keiner kann deine Gedanken lesen, also sei mal, um Himmels willen, dir selbst gegenüber ehrlich  – war diese Nacht schon vorher bedeutsam gewesen, und das nicht nur in körperlicher Hinsicht. Er hatte schon früher herrlichen Sex gehabt, aber noch nie hatte er eine Frau, die gehen wollte, zu bleiben gebeten.
    Er hatte noch gut in Erinnerung, wie er aufgewacht war, als sie versuchte, sich seiner Umarmung zu entziehen. »Ich störe dich ja nur ungern.« Er war mit dem Kopf unter ihrer Achsel und der Wange an ihrer Brust eingeschlafen. »Ich muss gehen«, hatte sie geflüstert und war ihm mit den Fingern noch einmal durch die Haare gefahren, ehe sie versuchte, seinen Kopf zu heben.
    Er hatte im Schlaf murmelnd protestiert und seinen Kopf noch tiefer an sie gekuschelt.
    Sie hatte leise gelacht. »Chief, ich muss gehen.«
    Jetzt war er doch aufgewacht und hatte den Kopf gehoben.

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