Betrogen
Himmels willen, wovon reden Sie?«
Während dieses wirren Wortwechsels hatte sie nach einem Geschirrtuch gesucht, denn vor Aufregung konnte sie sie nicht mehr finden. SchlieÃlich erwischte sie doch die richtige Schublade und nahm welche heraus. Obwohl sich ein Glassplitter in ihre nackte Ferse gebohrt hatte, kümmerte sie sich nicht weiter darum, sondern presste das Geschirrtuch gegen Christopher Harts blutendes Jochbein.
Unter dem Druck zuckte er zusammen. »Durch diesen ScheiÃkerl ist die Wunde wieder aufgeplatzt, die ich Hennings zu verdanken habe.«
»Welcher ScheiÃkerl? Fangen Sie von vorne an und klären Sie mich auf. Wer hat Ihnen das angetan?«
»Man hat mich vor einem Club in der Greenville Avenue überfallen.«
»Ãberfallen? Wie bei einem StraÃenraub? Haben Sieâs der Polizei gemeldet?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Haben Sie eine Schmerztablette?«
»Ãh â«
»Irgendetwas?«
»Warten Sie hier.« Sie eilte aus der Küche, wobei sie die Ferse mit dem Glassplitter schonte.
Im Bad durchsuchte sie fieberhaft das kleine Arzneischränkchen, wobei sie mehrere rezeptfreie Medikamente und abgelaufene Arzneimittel ins Waschbecken stieÃ. Endlich fand sie das Gesuchte.
Als sie sich mit dem Fläschchen in der Hand umdrehte, stand Chief in der offenen Badezimmertür, stützte sich mit der einen blutigen Hand am Türrahmen ab und hielt mit der anderen das Geschirrtuch an sein Jochbein.
Sie schüttelte eine Tablette in die Hand. »Wurzelbehandlung. Letztes Jahr.«
»Was ist es?« Als sie es ihm sagte, nickte er und hob die Pille mit zwei Fingern auf. »Habe ich auch schon mal genommen. Auch bei Zahnschmerzen.«
»Es ist nicht besonders stark. Allerdings weià ich nicht, ob dieses Mittel nicht mit der Zeit seine Wirkung verliert.« Sie füllte das Zahnputzglas mit Wasser und reichte es ihm.
Er schluckte die Tablette und gab ihr das Glas zurück. »Danke.«
»Ziehen Sie Ihre Jacke aus und setzen Sie sich hier hin.« Sie klappte den Toilettendeckel zu. Er schüttelte seine Lederjacke ab und deutete auf das grelle Deckenlicht. »Dieser Raum hat keine Fenster«, erklärte sie. »Niemand kann das Licht sehen. Aber ich muss Ihr Gesicht sehen können.«
Er setzte sich und lehnte den Kopf zurück. Die klaffende Wunde war nicht lang, dafür aber tief. »Das muss genäht werden.«
»Haben Sie ein Pflaster?«
»Ich denke schon.«
»Das genügt auch. GieÃen Sie zuerst noch etwas Desinfizierendes drauf.«
»Sind Sie sicher? Es könnte eine Narbe geben. Meiner Ansicht nach müsste man es wirklich â«
»Nur â« Er deutete auf den offenen Medizinschrank. »Wird schon werden.«
Im Schränkchen stand eine Flasche Desinfektionsmittel, von dem sie etwas in die offene Wunde goss. Er fluchte fürchterlich. »Lernt man diese Ausdrücke in der Astronautenschule?«, wollte sie wissen.
»Gehört zu den Pflichtfächern.«
»Darin müssen Sie eine Eins gehabt haben.«
»Jeden Test siegreich bestanden.«
Nach dem Reinigen der Wunde gab sie ihm ein mit Desinfektionsmittel getränktes Gazestück. »Für den Schnitt über dem Auge. Sieht zwar nicht so schlimm aus, muss aber trotzdem gereinigt werden.«
Sie hatte entschieden, dass ein normaler Pflasterverband für die Wange nicht ausreichen würde, und machte sich deshalb daran, auf der Frisierkommode einen speziellen Verband zu basteln.
»Melina, haben Sie eine Schusswaffe?«
Diese erstaunliche Frage fiel, als sie gerade einen Leukoplast-Streifen von der Rolle schnitt. Die Metallspule fiel ihr aus der Hand, wobei ein weiÃes Pflasterstück auf ihrer Fingerkuppe kleben blieb. Die Spule schwang wie ein Pendel hin und her. »Eine Schusswaffe? Etwa eine Pistole?«
»Haben Sie eine?«
»Warum?«
»Haben Sie eine?«
»Nein.«
»Beeilen Sie sich. Wir müssen reden.«
Rasch betupfte sie beide Wunden mit einer antibiotischen Salbe. Dann legte sie ein Gazekissen auf seine Wange und befestigte die eine Seite mit Leukoplast. »Vermutlich wird es schnell durchbluten. Dann werde ich es wieder wechseln.«
Sie kam gar nicht auf die Idee, ihn zu fragen, ob er dann noch da wäre. Auch nicht, warum er nach einem Ãberfall ausgerechnet zu ihr kam. Von vorneherein schien festzustehen, dass sie und Chief in
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