Betrügen lernen
chenende gezündet. Der Samstag verläuft bei Alex und Clara immer ähnlich. Die Kinder lassen sie immerhin bis halb neun in Ruhe. Alex stellt sich deshalb jedes Mal vor, Clara im Halbschlaf zu überraschen. Aber sie will lieber ausschlafen. Also zieht er sich an, macht Frühstück und versteckt sich hinter der Zeitung. Sie erledigt den Einkauf, Alex fährt in den Baumarkt. Diesmal will er ein Gartenhäuschen aufrichten. Es ist ein Bausatz für den ambitionierten Heimwerker, und er besteht aus mindestens tausend Einzelbrettern. Wenn die Hütte fertig ist, steht sie zwar nicht in Kanada, aber er hat sie wenigstens mit seinen eigenen Händen gebaut.
So wie dieser Bausatz kommt Alex manchmal seine Ehe vor: zerfasert, unfertig und in seine unlackierten Einzelteile zerlegt. Ist da überhaupt noch etwas zu retten, haben sie noch etwas Verbindendes? Aus Fischsuppe kann man kein Aquarium mehr machen, sagt sein Angelfreund Theo immer, wenn beide über die Zerrissenheit der Welt sprechen.
Sie braucht endlich mal ein bisschen Zeit für sich, denkt Clara. Aber Sonntag früh sind sie wieder zum lang weiligen Brunchen bei langweiligen Freunden eingeladen. Anschließend wird Alex noch kurz mit den Kindern im Garten spielen, abends werden sie den »Tatort« ansehen.
»Ich mag deine Freunde nicht«, sagt sie, als Alex vom Bretterpuzzle im Garten wieder ins Haus kommt. »Die nerven. Von denen kommt nie was Neues. Wir müssen immer das Gespräch am Laufen halten.«
»Aber es sind doch deine Freunde, bei denen wir zum Brunchen eingeladen sind«, entgegnet Alex irritiert. Die ses Gespräch folgt einem Ritual, das beide eigentlich schon kennen müssten.
»Egal, du weißt trotzdem nie, wie die Freunde deiner Kinder heißen, und erst recht nicht, wie ihre Eltern heißen«, sagt sie. »Das interessiert dich doch überhaupt nicht.«
Sie brunchen trotzdem mit den langweiligen Freunden und halten das Gespräch am Laufen, sehen den »Tatort« und freuen sich schon auf den Montag, wenn beide wieder arbeiten können.
Alex hat eine kleine Umfrage zu dem Thema »Selbstzerstörung in der Ehe« in seinem Institut gestartet, und die wird er fortführen. Er hat seine Kollegen aufgefordert, die häufigsten Sätze in chronischen Paarbeziehungen zu benennen. Er hat nur die männlichen Kollegen gefragt und bereits angefangen, die einzelnen Reaktionen in einer Powerpoint-Präsentation zusammenzustellen, wie er das von seinen Affenstudien gewohnt ist. Er weiß noch nicht, ob er die Antworten je für seine Forschung gebrauchen kann. Seine Erhebung fördert immerhin erstaunliche Juwelen menschlichen Paarverhaltens zutage, manchmal sind es auch nur Zeichen der Niedertracht.
Herrlich ist die spontane Reaktion von Jens, der die regelmäßige Klage seiner Partnerin wiedergibt: »Der Rauch zieht immer zu mir.«
Auch hübsch: »Du musst mal wieder zum Wertstoffhof.«
Geradezu hinterhältig ist die an den Mann gerichtete Frage in Familien mit kleinen Kindern, die Hubert als die mittlerweile einprägsamste Lebensäußerung seiner Frau einfällt: »Wer war zuletzt auf dem Klo?«
Daniel hört von seiner Liebsten immer wieder: »Du musst mehr mit mir kommunizieren.« Sie sagt tatsächlich »kommunizieren« und nicht »reden« oder »sprechen«, was für ganz verschärfte Bedingungen an der Heimatfront spricht und die meisten Männer an seiner Stelle wohl zu sehr grundsätzlichen Erwägungen veranlassen würde.
Originell ist auch der permanente Vorwurf an Christian, dessen Frau eine Anwaltskanzlei betreibt: »Peter kennt die Kanzlei von Sybille viel besser als du meine.«
Die Frau von Peter hat auch einen Lieblingssatz: »Sind wir eigentlich noch in Kontakt miteinander?«, fragt sie ihn von Zeit zu Zeit, und er muss sich jedes Mal die Bemerkung verkneifen, dass sie ihn ja als Kontakt in ihrem Mailprogramm hinzufügen oder besonders markieren kann, wenn sie Sorge hat, seine Adressdaten zu verlieren.
Die anderen erleben den üblichen alltäglichen Wahnsinn. »Ich dachte, du hättest das längst erledigt«, ist so ein Klassiker, mit Betonung auf dem langen duuuu.
Ein Spezialfall liegt sicherlich bei Matthias vor: »Hast du wieder meine Yogamatte als Unterlage benutzt, um dein Auto zu reparieren?«, fragt ihn seine Frau regelmäßig.
Bei Harald geht es eher um körperliche Mängel, vielleicht liegt hier sogar ein ernstes medizinisches Problem vor, das er mal untersuchen lassen sollte. Immer wieder sagt er zu seiner Frau, dass sie doch bitte schön etwas lauter
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