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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartens
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kümmern könnte, wenn er sonst schon keine gemeinsamen Unternehmungen plant.
    »Weißt du, ich habe immer noch meine Bedürfnisse und Träume, trotz all der gemeinsamen Jahre. Ich will die Hoffnung noch nicht aufgeben. Noch nicht. So alt bin ich noch nicht. So alt bist du auch noch nicht.«
    Er nickt. Mein Gott, er hat immer noch die Winterreifen drauf, fällt Alex gerade ein. Dabei ist es schon Ende Mai und ein plötzlicher Kälteeinbruch trotz aller Prognosen für den baldigen Klimawandel nicht mehr zu erwarten. Andererseits: Damals, Junge, Junge, frisch verliebt am San Bernardino sind die beiden im Mai noch ziemlich ins Schlittern gekommen. Konnten die Reifen der Grund für das Klopfen sein?
    »Sag doch etwas, ich habe manchmal das Gefühl, du nimmst mich überhaupt nicht mehr wahr.«
    Da, da ist es wieder. Der Motor klopft. Das muss sie doch auch hören! Das kann man doch nicht einfach ignorieren.
    »Irgendwas läuft offenbar nicht rund«, sagt Alex und beschließt, morgen früh sofort in der Werkstatt anzurufen und einen Termin auszumachen.
    »Na ja«, sagt sie. »ich bin froh, dass du’s immerhin genauso siehst wie ich.«
    Schweigend fahren die beiden weiter. Der Regen hat nachgelassen. Alex lauscht auf das Klopfen, das zwar leiser geworden ist, aber immer noch hörbar.
    »Nichts, was man nicht reparieren könnte«, sagt er.
    Zu Hause angekommen, es ist schon spät, ruft Clara ihre Freundin Dorothee an. Er schaltet lustlos den Fernseher an und sieht sich in einem Sportsender die Übertragung eines Spieles aus der spanischen Primera Division an, es ist Deportivo La Coruña gegen Betis Sevilla. Das Spiel ist erstaunlich hochklassig, und er holt sich Chips mit Sour-Cream-Geschmack auf das Sofa, damit der Abend gerettet ist. Sie sind schon ziemlich gut, diese Spanier, wuselig, offensiv und zweikampfstark. Ihren alten Schlendrian vor dem Tor haben sie auch seit ein paar Jahren abgelegt.
    Clara legt sich auf ihr Sofa, kuschelt sich in eine Decke. Drei Stunden lang telefoniert sie mit Dorothee, und diesmal fällt kein Wort über die Sitzordnung.
    »Ich glaube, er mag mich nicht mehr. Er ist manchmal so vollkommen gleichgültig«, sagt Clara. »Er behandelt mich wie die Pflanzen in seinem Büro. Die sind alle eingegangen. Ich denke manchmal, es wäre das Beste, wenn wir uns trennen würden. Ich weiß nicht, wie ich mich auf ihn einlassen soll, wenn da so wenig zurückkommt. Wenn er mich wenigstens manchmal anschreien würde, aber da ist nichts, nada, nur diese elende Gleichgültigkeit. Ich habe so viel versucht die ganzen Jahre, aber er redet ja kaum mit mir. Ihm kann es dabei ja auch nicht gut gehen. Das würde doch niemand aushalten. Vielleicht ist da auch eine andere Frau, den Verdacht habe ich schon länger. Andererseits ist er eine treue Seele, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er mich betrügt.«
    Jetzt muss sich Dorothee die Nase putzen.
    »Ich habe zu ihm gesagt, wir können alles verlieren, nur uns nicht. Aber ich weiß nicht, ob er das versteht, ich weiß nicht mal, ob ich ihm so wichtig bin. Er hat vor allem seine Arbeit. Das gönne ich ihm ja auch. Dabei weiß ich, dass er mich auch braucht, mindestens so sehr wie ich ihn. Er zeigt es nur nicht mehr. Er versteckt sich, wahrscheinlich auch vor sich selbst. Aber wenn ich ihm das sage, dann reagiert er nicht einmal und grummelt nur vor sich hin, dass er das schon auf seine Weise regelt. Ich soll mir keine Sorgen machen. Aber an mich denkt er dabei gar nicht, zumindest zeigt er mir das nicht. Und ich gehe vor die Hunde, wenn er so weitermacht.«
    Um zwei Uhr morgens legt Clara auf. Den Rest der Nacht macht sie kein Auge zu.

Orale Anmache
    Nach einer langen Nacht, in der ich in tiefen, traumlosem Schlaf gefallen bin, wache ich auf. Ich fühle mich gedanklich noch dumpf und schwer, also wie immer am Morgen, aber zugleich körperlich unglaublich erholt, was nicht so oft vorkommt. Ich strecke die Arme über dem Kopf aus und gleichzeitig die Beine durch. Ich habe von Clara geträumt, herrlich. Liegt sie noch neben mir? Nein. Ist da überhaupt jemand? Nein. Clara ist längst in der Klinik, und die Kinder hat sie bereits in den Kindergarten gebracht. Der Tag fängt gut an.
    Ich will im Bett Orientierung gewinnen und gleichzeitig zum Fenster hinausschauen. Wie das Wetter wohl heute ist? Die Antwort auf diese einfache Frage zu finden erfordert einen ziemlich komplexen Bewegungsablauf für eine so frühe Morgenstunde. Denn um das Wetter zu beurteilen, muss

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