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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartens
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niiicccccchhhh«.
    Dann sagt sie zu Clara: »Ist wohl für dich!«

Du willst es doch auch
    Es ist so albern. Diese Beziehungs- und Paarberatungen bringen doch nichts. Clara muss über sich selbst schmunzeln. Trotzdem hat sie vor, das Seminar heute Abend zu besuchen. Die Gelegenheit ist günstig. Alex ist überpünktlich zu Hause. Er hat nichts weiter vor, er wird den beiden Mädchen Gutenachtgeschichten vorlesen und bewundern, was sie im Kindergarten gebastelt haben. Au ßerdem soll er seinen wieder eingerenkten Kiefer vorerst schonen. Er musste in die Klinik mit seiner Maulsperre, da war nichts zu machen. Die Assistenzärztin hat sich kaputtgelacht über seinen halb offenen Mund und erst mal ein Foto gemacht, für den Studentenunterricht, wie sie sagte.
    Alex übt Zurückhaltung. Er will um alles in der Welt nicht Claras Ärger auf sich ziehen, das könnte seine Chancen auf ein baldiges Beisammensein noch weiter schmälern und den nächsten intimen Termin in noch unerträglichere Ferne rücken lassen.
    Clara hat sich chic gemacht. Aber was erwartet sie sich eigentlich von diesem Abend? Mehr als Plattitüden wie aus Frauenmagazinen: Arbeiten Sie an Ihrer Beziehung! Überraschen Sie einander jeden Tag aufs Neue! Verlieben Sie sich mal wieder, aber in Ihren Partner … Andererseits geht ihr das Psychogequatsche ihrer Kollegen, das sie regelmäßig auf Tagungen hören muss, ziemlich auf die Nerven. Hier gibt es vielleicht ein paar handfestere Erkenntnisse, was Praktisches für den Alltag, der Seminarleiter ist immerhin nicht nur Beziehungsberater, sondern auch Flirttrainer.
    Clara findet den Hörsaal nicht auf Anhieb. Lange her, dass sie in der Universität gewesen ist. Sie sieht eine Schlange vor einer Tür und denkt, dass es dort sein muss. Das kann doch nicht wahr sein, dass sich so viele Leute dafür interessieren.
    Im Veranstaltungsraum drängeln sich schon die Zuhörer, von denen nach Claras Einschätzung mehr als 80 Prozent Frauen sind. Clara findet gerade noch einen Platz, sogar ziemlich weit vorn am Rande der fünften Reihe, nah beim Ausgang. Wenn es zu blöd würde, könnte sie also jederzeit unbemerkt gehen.
    Es ist unfassbar, der Hörsaal fasst bestimmt 600 Menschen, und er ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Trotz des nicht gerade günstigen Eintritts von 15 Euro. Hieß es nicht, die erste Probestunde sei umsonst?
    Die Türen werden geschlossen, niemand wird mehr hereingelassen. Das Getuschel und Gescharre der Menschenmenge verursacht einen erstaunlichen Lärmpegel. Vom Vortragenden ist noch nichts zu sehen. Vorn auf der Bühne stehen nur ein Lesepult und ein viel zu üppig blühender und schwer-süßlich riechender Blumenschmuck.
    Nach fünf Minuten tritt endlich der Referent auf die Bühne. Er hat es spannend gemacht, dieser gewisse Raffael Steinberg. Eine irritierende Erscheinung. Kurze, schon etwas grau melierte Haare, buschige Augenbrauen und ein auftrumpfendes Lächeln, von dem man nicht weiß, ob es hintergründig oder nur frech ist. Er hat eine jugendliche Statur, aber Clara schätzt sein Alter trotzdem auf Mitte bis Ende vierzig. Er hat ein sympathisches Gesicht, vom vielen Lächeln und Flirten bereits angenehm zerknittert.
    Wenn er nur nicht so sehr auf jugendlich machen würde! Jeans und Turnschuhe, dazu ein Jackett, das übertrieben schlank geschnitten ist und seine tadellose Figur hervorhebt. Groß ist er, sportlich, aber nicht bullig. Und er kann sich erstaunlich geschmeidig bewegen.
    Bevor er eine Silbe sagt, stellt er sich ganz vorn an den Rand der Bühne, die Zuhörer in der ersten Reihe könnten ihn berühren, wenn sie wollten und nur die Hand ausstreckten. Er schaut in die Runde, sein Blick schweift durch die Reihen, er bleibt auch bei Clara hängen. Dann fängt er endlich an.
    »Im Tierreich gibt es Treue nicht«, beginnt Raffael Steinberg. »Die Treue ist eine Erfindung des Menschen, die dazu da ist, sich und anderen das Leben so schwer wie möglich zu machen.«
    Er lässt seine Worte wirken und macht eine Pause. Im Saal herrscht atemlose Stille, nur die wenigen anwesenden Männer tuscheln und feixen. Clara denkt, dass sie ja eigentlich hier ist, um etwas darüber zu erfahren, wie sie ihre Beziehung retten kann, und nicht, wie sie untreu wird. Wahrscheinlich wird sie wirklich gleich gehen.
    Während Raffael Steinberg innehält, scheint er jedem einzelnen Zuhörer direkt ins Gesicht zu blicken. Offen und geradeheraus. Offensichtlich gehört das zu seiner Masche. Claras und sein

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