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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartens
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Porsche getestet und über die Probefahrt geschrieben, dass sie der Porsche an ein Phallussymbol erinnert hat. Das ist unge fähr so originell, wie zu fragen, was am Fußball denn bitte schön so spannend sein soll, wenn bei dem Spiel doch nur 22 Männer hinter einem Ball herlaufen. Origineller war allerdings, dass Iris Radisch bei der Gangschaltung des Porsche, die sie in meiner Erinnerung als von kamelhaarfarbenem Leder ummantelt beschrieben hatte, an die runzelige Textur eines Hodensacks denken musste.
    Ich versuche, nicht an Iris Radisch oder an andere kamelhaarfarbene Literaturliebhaberinnen zu denken, da sich mein Phallus in der kommenden halben Stunde weder in einen Porsche noch in etwas anderes verwandeln sollte, sondern vor allem dauerhaft seine Form bewahren.
    Denn in einer halben Stunde würde schon alles anders sein. Am Vorabend habe ich ein Fußballspiel im Fernsehen angeschaltet, aber schnell die Lust daran verloren und das Geschehen auf dem Spielfeld nur noch am Rande mitbekommen. Nach einer Weile schreckte ich hoch. »Ein Schuss ins Schwarze«, rief der Reporter plötzlich wie von Sinnen. Irgendein Stürmer jubelte, begattete mit ekstatischen Bewegungen die Eckfahne und wurde dann von seinen Mitspielern zu Boden gerissen und unter ihren schwitzenden Leibern begraben. Der Stürmer hatte nach soundso viel Hunderten Minuten seine Torflaute beendet und nach langer Pause getroffen. »Jetzt kann er endlich wieder befreit aufspielen«, sagte der Reporter. Mir ist schlecht.
    Ich lasse mich ihretwegen sterilisieren. Vielleicht hat ihre Lustlosigkeit ja technische Ursachen? Weil ich immer erst mit dem Kondom hantieren muss, bevor wir miteinander schlafen, und sie das unerotisch findet. Aber die Pille will sie nicht mehr nehmen. Zu gefährlich. Zu lästig. Vorbei. Sie ist ja keine 20 mehr.
    Ich versuche mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal mit ihr geschlafen habe. Wann immer es war, es war das letzte Mal mit intakten Samenleitern. Der letzte Tref fer ins Schwarze. Danach wird Flaute herrschen, nicht für soundso viel Hunderte Minuten, sondern für immer, für soundso viel Hundert Tage, soundso viel Hundert Wochen, soundso viel Jahre. Zunächst wegen meiner Rekonvaleszenz nach der Operation. Das geht vermutlich irgendwann vorbei. Aber dann. Was ist dann?
    Vielleicht beeinträchtigt die Sterilisation entgegen al len Beteuerungen der Mediziner ja doch meine Potenz, meine Lust oder was auch immer. Kommt da überhaupt noch was, so ganz konkret im stofflichen Sinne? Kann ich über haupt jemals wieder erotische Fantasien entwickeln, wenn ich immer daran denken muss, was der Arzt mit meinen Samenleitern angestellt hat, das heißt: gleich anstellen wird?
    Ich konzentriere mich auf die Ohrringe von Pfleger Holger, der immer noch gewissenhaft an meinem Hoden sack herumschabt. Wie war das mit Ohrringen bei Männern? Sagt der Ring im rechten oder im linken Ohr etwas über die sexuellen Vorlieben eines Mannes aus? Unvermittelt kommt der Arzt in den OP-Saal. Ein grauhaariger Endfünfziger mit sonorer Stimme, der eine wichtige Nebenrolle in jeder Arztserie spielen könnte, für die Hauptrolle aber vielleicht etwas zu unspektakulär ist. Aber als Vertrauensarzt für die jungen Kollegen oder als einer, der im unmenschlichen Klinikalltag immer Mensch geblieben ist, wäre er eine Superbesetzung. Und schließlich hat Clara ihn ja auch empfohlen.
    Von Clara wollte ich den Eingriff nicht vornehmen las sen. Das schien mir unpassend. Sie war operativ ein wenig aus der Übung gekommen, und mir war der Symbolge halt einer solchen Tat durch ihre Hand auch etwas zu übermächtig. Sich von der eigenen Frau enteiern zu lassen, das musste ja nicht sein. Auch wenn Clara immer wieder betont hat, dass meine Hoden unversehrt und auch sonst alles an seinem Platz bleiben würde. Nur die Samenleiter werden durchtrennt, sonst nichts. Von wegen sonst nichts!
    Obwohl ich untenherum nackt bin, komme ich mir nicht besonders nackt vor, was mich irritiert. In dem halb sterilen OP-Bereich ist mein Rumpf mit grünen Tüchern bedeckt, die um die Genitalregion einen kreisrunden Ausschnitt offen lassen. Vielleicht liegt es an dieser Restbedeckung, sonst hätte ich mir Sorgen gemacht.
    Ich habe Angst, bin furchtbar angespannt und will am liebsten aufstehen und gleich wieder gehen. Das ist möglich, denn ich bin ja freiwillig hier. Ich habe zwar eine Einverständniserklärung unterschrieben, doch was heißt das schon. Ich handele ja aus Liebe, und das ist

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