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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartens
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Pirouette, und plötzlich sieht er sie frontal an. »Du und du und du«, er zeigt mit dem Finger auf ein paar der Leute in den ersten Reihen – und dabei auch auf Clara. »Überlegt euch doch mal, wie selten es ist, dass zwei Menschen, die zusammen sind, etwas Ähnliches denken oder sagen. Überlegt euch das!«
    Er geht ein paar Schritte zurück.
    »Okay, und jetzt überlegt weiter: Wie viel seltener kann es dann wohl vorkommen, dass zwei Menschen sogar das Gleiche fühlen! Zur selben Zeit? Und um wie viel größer muss erst der Zufall sein, dass es zwei Menschen zur selben Zeit dazu drängt, miteinander ins Bett zu gehen, sich zu vereinigen. Dass beide nichts auf der Welt dringender wollen!«
    Jetzt ist doch wieder diese Raffael-Steinberg-Pause angesagt. Danach legt er sein charmantestes und gleichzeitig triumphierendes Lächeln auf und sieht Clara tief in die Augen.
    »Die Schlussfolgerung für euer kleines Glück zu Hause und unterwegs überlasse ich jedem von euch selbst – aber naheliegend wäre es doch wohl schon, dass man sich, wenn man selbst Lust hat, mit einem Menschen zusammentut, der ebenfalls Lust hat.«

Dirty Talk
    Soll ich mich tatsächlich operieren lassen? Ich habe es mit Christian durchgerechnet. Seine Frau hat ihm nämlich ein ähnliches Ultimatum gestellt wie Clara mir. Leitungen kappen, oder fortan herrscht Flaute im Bett. Christian ist als Analyst bei einer in London ansässigen Risikokapitalgesellschaft tätig. Er berechnet täglich, ob es sich für seinen Laden lohnt, in eine neue Firma zu investieren. Dazu muss das Start-up oder das schon länger bestehende, aber in Schwierigkeiten geratene Unternehmen eine wirklich gute Idee haben oder wirklich gute Leute – und vor allem muss die Kalkulation stimmen.
    Christian und ich werden beide in diesem Jahr 40. Derzeit haben wir gefühlt einmal im Jahr Sex mit unseren Frauen, tatsächlich wird es wohl ungefähr einmal im Monat sein. Einmal im Monat. Unfassbar. Wenn uns das jemand mit 20 gesagt hätte!
    Gut, man muss es sehen, wie es ist. Christian ist der Meister der schonungslosen Analyse. Einmal im Monat, unglaublich. Ein Skandal geradezu. Andererseits: Eine 20er-Packung Kondome kostet zwischen 12 und 18 Euro, je nach Hersteller und Qualität. Nehmen wir 20 Euro, das lässt sich leichter rechnen.
    Einmal im Monat Sex mit Kondom verursacht demnach Unkosten von 12 Euro im Jahr. Wenn keines defekt ist oder reißt und wenn es nicht mehrmals hintereinander zur Sache geht, was in unserem Alter und in unseren Ehen aber naturgemäß nicht mehr vorkommt. Die Sterilisation kostet hingegen ungefähr 500 Euro einmalig, Minimum. Die Krankenkasse zahlt das nicht, man muss es selber berappen.
    Rein rechnerisch ist die Aktion schwachsinnig. Um das zu erkennen, brauche ich nicht mal Christians Fachkenntnisse vom Finanzmarkt. Die 500 Euro hätte ich erst raus, wenn ich mit Clara – bei unserer derzeitigen Frequenz – knapp 42 weitere Jahre Sex habe. Dann bin ich fast 82. Aus Sicht eines Risikokapitalanlegers ist das definitiv keine lohnende Investition mit der Sterilisation, völlig unrentabel. Es muss doch noch andere Wege geben. Wenn man die monatliche Frequenz erhöhen könnte, wäre das Investment schon ein bisschen akzeptabler. Derzeit gibt es aber keinerlei Anlass, um auf eine solche Wende zu hoffen.
    Ich habe immer wieder gehört, dass es manche Frauen angeblich anmacht, wenn man ihnen versaute Dinge sagt. Am besten ist es wohl, ihnen so etwas ins Ohr zu flüstern. Mag ja sein, aber ich konnte und kann das nicht, habe das noch nie gekonnt und gewollt. Den Satz »Du willst es doch auch« kann ich nicht allen Ernstes sagen, höchstens ironisch gebrochen, etwa während der Arbeit, wenn ich bei einer Besprechung die Kaffeepause einfordere und Birgit als Mitstreiterin gewinnen will. Aber ich kann doch unmöglich zu Clara »Du Schlampe« sagen, denn sie ist gar keine. »Du geiles Miststück« oder noch schlimmere Dinge kommen mir auch nicht über die Lippen.
    Selbst ein »Ist es gut so, oder hast du es lieber etwas härter?« will ich nicht aussprechen. Ich glaube nicht, dass ich verklemmt bin, es kommt mir einfach unpassend vor. Einmal, ganz am Anfang unserer Beziehung, habe ich es zwar doch zu Clara zu sagen versucht, aber ich fühlte mich lächerlich dabei, und unseren Sex veränderte das auch nicht maßgeblich, wenn ich mich richtig erinnere. Hinter her habe ich mich ein bisschen geschämt.
    Mir geht es theoretisch ganz ähnlich wie Robert De Niro als

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