Betrügen lernen
liebestollen Quell. Vielleicht liegt es ja am Essen oder dem immer noch typischen Geruch, wahr scheinlich setzen sie der Luft Moleküle zu, die scharf- machen. Alte Stasi-Tradition, um die Bevölkerung von staatsfeindlichen Umtrieben abzuhalten und sie anderen Trieben zuzuführen.
Der Barkeeper mischt im Hintergrund ein paar Drinks. Bei diesem Ethnologenseminar habe ich mich eigentlich auf eine Fachdiskussion mit dem Kollegen Kortmann eingestellt, der will immer recht haben.
Doch jetzt ist sie da, und sie ist hinreißend. Sie heißt Valerie, und sie lächelt. Sie gilt als die vielleicht größte Nachwuchsforscherhoffnung der Branche, aber das wurde ihr auch ein bisschen in die Wiege gelegt. Der Vater ist Schwede, ein legendärer Feldforscher, der jahrelang die Bestattungsrituale in der Südsee untersucht hat und auf Polynesien Valeries Mutter, eine Einheimische, kennengelernt hat. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Valerie ist groß und blond, aber mit dunklem Südseeteint und nicht so breithüftig und stämmig wie so viele Skandinavierinnen, sondern feingliedrig und anmutig – und Pobacken hat sie, so klein und hart wie Eishockeypucks.
Da, sie wirft ihre Haare mit einem lässigen Schwung nach hinten. Damit legt Valerie ihre Seite frei und demonstriert mir, dass sie mir vertraut. Raubkatzen wissen, dass der Hals die verwundbarste Stelle von Säugetieren ist. Wenn sie den Hals zeigen, ist das eine unmissverständliche Unterwerfungsgeste. Und was macht Valerie denn jetzt? Sie streicht sich langsam mit der Zunge über die Lippen, erst die Unterlippe, dann die Oberlippe. Mehrmals hin und her, ein astreiner Lipkick. Jetzt weiß ich: Sie will es auch.
Es ist aufregend mit ihr, gleichzeitig ist die Situation ungeheuer komisch. Wir beide wissen, was wir tun, wir kennen den Symbolgehalt unserer Flirtversuche nur zu genau. Wir wissen, was unsere Gesten, Blicke und Bewegungen bedeuten. Und wir wissen, dass der andere es auch weiß. Wir lächeln. Chin-chin.
Leise Loungemusik, nur das rhythmisch aneinanderstoßende Eis im Mixer des Barkeepers ist zu hören. Ich könnte vergessen, dass wir in einem Hotel an der Ostsee sind. Ich bin schon ein paar Tage vorher zu dem Satellitensymposium der Verhaltensforscher nach Rostock gereist, um meinen Vortrag in Ruhe weiter auszuarbeiten. Doch jetzt finde ich bestimmt keine Ruhe mehr, sondern ich umkreise Valerie ruhelos wie ein Planet sein Zentralgestirn.
Sie nippt vorsichtig an einem Glas Baileys Cream, schürzt dabei verführerisch die Lippen. Ich habe ein robustes ostdeutsches Bier bestellt. Wir lehnen an der Bar. Eigentlich bin ich kein Mann, der cool an der Bar lehnen kann. Ich fühle mich dabei immer etwas unwohl. Entweder ist der Tresen zu niedrig, der Hocker zu wackelig oder alles zusammen. Es geht nicht. Aber sie macht mich das im Moment vergessen. Clint Eastwood könnte nicht lässiger hier sitzen als ich. Ich lehne mich weiter zu ihr, gleich werde ich zufällig ihren Arm berühren. Ich lehne mich noch ein bisschen vor, ich falle vom Hocker, kann mich gerade noch am Tresen festhalten. Glücklicherweise habe ich mir bei diesem Manöver untenrum nichts gequetscht. Sie lacht.
»Hoppala, wo bleibt die Standfestigkeit, Kollege«, fragt sie. »So labil?«
»Manche Frauen hauen mich einfach um«, sage ich und bestelle einen Whiskey.
Valerie hat einen superengen Rock an und einen noch engeren Pullover. Ihr Körper zeichnet sich vorteilhaft durch die Oberbekleidung ab. Das schulterlange blonde Haar kitzelt ihre rechte Schulter, weil sie den Kopf immer wieder leicht zur rechten Seite neigt. Eine eindeutige De mutsgeste, wie sie als international inzwischen anerkannte Primatenforscherin doch wissen muss. Ist sie etwa schon bereit? Vor Beginn des eigentlichen Balzrituals? Sollten ihr Hormonzyklus und mein gurrendes Paarungswerben auf Anhieb eine günstige Konstellation erwischt haben?
Ihr Rock ist von glänzendem, dunkelrotem Samt, und ich muss an das rot leuchtende Gesäß der Mantelpaviane denken, die ihre Paarungsbereitschaft vor allem mit einem Wechsel der Farbgebung signalisieren. Das ist seit Jahren eines von Valeries Hauptforschungsgebieten und diese Farbwahl deshalb bestimmt kein Zufall. Nicht bei Valerie, sie weiß genau, was sie tut. Sind die Affenweibchen gerade nicht kopulationswillig, ist ihr Hinterteil nur langweilig grau. Wenn sie wollen, nimmt es hingegen diese aufreizend intensive Signalfarbe an, die selbst für einen Affen nicht zu übersehen ist. Sie hätte ja
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