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Betrügen lernen

Betrügen lernen

Titel: Betrügen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartens
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anführt. Das ist naheliegend, denn nur das dominante Affentier pflanzt sich fort. Verliert er seinen Status als Anführer, schrumpfen seine Eier wieder, und sein zuvor prächtig gefärbtes Gesicht wie auch sein Gesäß verblassen.
    Man kann zwar nicht alle Verhaltensweisen von Tieren auf Menschen übertragen, aber der Mandrill gehört nun mal wie der Mensch zur Unterordnung der Trockennasenaffen; es finden sich erstaunlich viele Gemeinsam keiten. Außerdem gibt es auch bei Menschen beängstigende Befunde, die meine Befürchtungen bestätigen könnten. Ich habe kürzlich ein paar Artikel über die Plastizität der menschlichen Organe gelesen, und diese Theorie überzeugt mich sehr. In Kürze besagt sie ungefähr: Braucht man ein Organ häufig und ausdauernd, wird es immer größer, differenzierter und geschickter. So die Theorie – und auch die Praxis: Das kennt schließlich jeder, der seine Muskeln trainiert und damit vergrößert, aufpumpt und genauer definiert. Braucht man sie hingegen seltener, schrumpfen sie, werden schlaff und verlieren irgendwann ganz ihre Funktion und Tüchtigkeit.
    Eigentlich bezieht sich die Theorie der Plastizität in erster Linie auf das Gehirn. Das wird zwar nicht größer und dicker, aber dennoch verändert das Denkorgan die Menge, Größe, Verzweigung und sogar die Qualität seiner Nervenbahnen abhängig davon, wie oft sie gebraucht werden. Das kennt man von seinen Mitmenschen. Wer viel Musik hört, entwickelt bald ein viel feineres Hörzentrum und kann auch nahe liegende Töne besser auseinanderhalten und komplexe Melodien erkennen. Wer ständig Angst hat, verstärkt auf diese Weise seine Angst. Wer sich nichts dabei denkt, denkt irgendwann gar nichts mehr.
    Mein Penis wird von meiner Frau nicht mehr gebraucht. Er schrumpft, weil er inzwischen weitgehend überflüssig ist. Ich benutze ihn nur noch zum Pieseln, deshalb verschwindet er zwar noch nicht ganz, aber er bildet sich dramatisch zurück. Eine ebenso traurige wie logische Entwicklung. Und eine furchtbare Vorstellung, wenn man sie zu Ende denkt. Die Natur kann so grausam sein.
    Der Penis ist ja auch so etwas wie ein Muskel, der nun nicht mehr trainiert wird. Ich muss aufpassen, dass ich mir keine Zerrung hole, wenn er irgendwann doch mal wieder in Gebrauch kommen sollte. Muss man den eigentlich auch runtertrainieren, so wie das Spitzen sportler angeblich für ihr Herz machen sollen, wenn sie ihre Karriere beenden und nicht mehr täglich trainieren? Oder gibt es eine Art Rückbildungsgymnastik wie für Frauen, die geboren haben und ihren Beckenboden wieder in Form bringen wollen?
    Womöglich sollte ich mir doch bald diese Gewichte kaufen. Ich habe das kürzlich im Fachaufsatz eines Kollegen gelesen. Interessanter Ansatz. Irgendwo im Urwald Indonesiens, hinter den Kopfgeldjägern links, lebt ein Eingeborenenstamm, der von einer besonderen Sorge erfüllt ist. Die Männer des Stammes haben panische Angst davor, dass sich ihr Penis und ihre Hoden in ihren Körper zurückziehen könnten.
    Koro nennt sich das beunruhigende Leiden. Ich habe nicht ganz verstanden, ob die Ureinwohner befürchten, dass sich Penis und Hoden einfach nach innen stülpen könnten, oder ob sie – ähnlich wie ich – vermuten, dass ihre Unterleibsorgane mit der Zeit immer kleiner werden und irgendwann ganz verschwinden. Um dem Malheur vorzubeugen, befestigen sie jedenfalls allerlei Gewichte an ihren Genitalien, was den Umgang mit dem anderen Geschlecht etwas beschwerlich macht. Eine gewisse Leichtigkeit ist dann dahin. Manche benutzen auch Metallringe oder Klammern. Allein bei diesem Gedanken ziehen sich meine Unterleibanhangsgebilde noch weiter zusammen.
    In dem Fachaufsatz sind einige unscharfe Abbildungen von den Gerätschaften zu sehen, mit denen die besorgten Männer Südostasiens versuchen, ihr Gemächt an Ort und Stelle zu verankern. Aber wo sollte man solches Material hierzulande finden?
    In diesem Moment gehe ich am Schaufenster eines Geschäfts vorbei. Ruten, wohin das Auge blickt. Und ganz viel Gummi für die Beine und den Rumpf, besonders in Form von hüfthohen Stiefeln. Es gibt auch Stiefel, die sich bis zu den Achseln hochziehen lassen. Breit, eng anliegend, in Schwarz, aber auch in Grün. Seltsam verhuscht aussehende Männer stehen in dem Laden herum. Ich bin nicht vor einem Erotikshop gelandet, sondern vor einem Fachgeschäft für Anglerbedarf. Drinnen finden sich Rollen, Kescher, Blinker, Würmer und Lebendköder aller Art. Dort hinten in der

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