Betrug und Selbstbetrug
fünf Jahre lang rund um die Uhr im Labor geleistet haben, für nobelpreiswürdig. Während wir arbeiten, können wir uns schon über die Anerkennung freuen, die wir doch ganz sicher später dafür ernten werden. Wenn wir nicht gerade Betrug begehen, kann die Phantasie sogar die Qualität unserer Arbeit verbessern. Was der Tauschhandel zwischen zusätzlichen, durch Phantasien angetriebenen Bemühungen und ihren Ergebnissen wirklich wert ist, wenn man sie an anderen, verpassten Gelegenheiten misst, steht auf einem anderen Blatt, insbesondere wenn die Phantasie sich am Ende nicht bewahrheitet.
Und wie sieht die Kehrseite des Ganzen aus? Betrachten wir einmal eine romantische Wunschvorstellung: Eine in Wirklichkeit weit entfernte Frau wird darin zu unserer zukünftigen Ehefrau, wenn nicht sogar (im Zustand der völligen Illusion) unserer Seelenverwandten. Jetzt können wir ganz und gar in unserer Arbeit aufgehen, weil ja unsere Liebesbeziehung und unser (zukünftiges) Sexualleben gesichert sind. Wir schicken jede Woche einen Teil unseres Gehalts an die Geliebte und erklären ihr, wir könnten ihr zwar unsere Liebe derzeit nicht unmittelbar zeigen, es mache uns aber Spaß, ihr Geld zu schicken. Darüber wird sie tatsächlich erfreut sein. Sie wird so erfreut sein, dass sie unsere Phantasien bestärkt. Vielleicht war sie sogar diejenige, die diese Phantasien erst geschaffen hat.
In Jamaika gibt es für diese Form der Manipulation einen Begriff: Man sagt, jemand habe einen boops . In der Regel ist das ein älterer Mann, der eine junge Frau aushält – ihre Miete, ihre Stromrechnung, ihre laufenden Kosten, vielleicht auch ein kleines Auto bezahlt – und dafür geringfügige sexuelle Gefälligkeiten erhält; ihm bleibt nur die Phantasie dessen, was schon bald eintreten wird. Im für die Frau optimalen Fall bekommt er überhaupt keinen Sex – und je stärker er danach fiebert, seine Phantasien zu behalten, desto großzügiger benimmt er sich. Denn wenn er einmal in dieser Phantasie gefangen ist, hat er kaum noch den Wunsch, sie in Frage zu stellen. Gegenteilige Beweise, die uns in anderen Situationen sofort wachsam werden lassen oder zumindest ein näheres Hinsehen rechtfertigen, werden mit leichter Hand beiseite gewischt (beispielsweise, wenn man kein Weihnachtsgeschenk bekommt, obwohl man ihr umgekehrt üppige Geschenke gemacht hat). Ein Psychiater formulierte es so: »Man will nicht, dass die kleinen, lästigen Details der Realität eine schöne Phantasie beeinträchtigen.«
Wenn auf diese Weise ein anderer zur Triebkraft unserer Phantasien wird, können diese uns weit von unseren eigenen Interessen entfernen. Ja, wir haben im Labor ein halbes Jahr lang großartige Arbeit geleistet, aber wenn wir wirklich in unserer Phantasie aufgegangen sind, haben wir zahlreiche unmittelbare Kosten zu tragen, und eines Tages müssen wir eine schmerzhafte Desillusionierung durchleben, um wieder die Verbindung zu unseren tatsächlichen Interessen herzustellen. Zweifellos zahlen wir dabei für unerfüllte Phantasien, die mit Sexualität und Liebe zu tun haben, einen der höchsten Preise. Es geht dabei nicht nur um unseren potentiellen Fortpflanzungserfolg, sondern auch um unsere Verletzlichkeit.
Der Schmerz des Betruges
Wenn Täuschung und Selbsttäuschung in der Familie die umfassendsten Auswirkungen auf das Leben eines Menschen haben, dann sind jene, die die Sexualität betreffen, am schmerzlichsten. Nichts tut so weh wie sexueller Betrug – nichts spaltet die Seele so wie die Erkenntnis, dass ein geliebter Partner uns auf jede nur erdenkliche Art hintergeht. Täuschung und Selbsttäuschung, die auf die frühen Interaktionen in der Familie zurückgehen, können sich mit Schmerzen verbinden, die einer chronischen Arthritis ähneln, aber wenn es um sexuellen Betrug geht, fühlt sich das eher so an, als sei man von einem Lastwagen überfahren worden. Nach meiner Überzeugung gilt das für beide Geschlechter.
Mindestens drei Elemente spielen dabei eine Rolle. Erstens kann das Schicksal sich radikal umkehren – ein vermeintlich eigenes Kind ist nicht das eigene, eine Liebe, die man für gegenseitig gehalten hat, wird nicht mehr erwidert. Zweitens basiert der (sogenannte) Betrug häufig auf einer ganzen Reihe von Lügen, auf einer absichtlichen Täuschung, die sich vielleicht über Monate oder Jahre hingezogen hat. Wir haben dabei stets unsere Rolle gespielt und die Lügen geglaubt – häufig mit Hilfe aktiver Selbsttäuschung
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