Betrug und Selbstbetrug
uns eine positive Einstellung zu bewahren und nicht jedes kleine negative Vorkommnis aufzubauschen.
Betrachten wir zunächst einmal die positive Form der Selbsttäuschung. Paarbeziehungen halten länger, wenn jeder den anderen höher schätzt als der sich selbst. 10 Das klingt ganz schön romantisch – »Ich liebe dich, mein Schatz, mehr als du dich selbst, und dadurch erhöhe ich dich.« Und es wirkt in beide Richtungen. Je mehr man den anderen überhöht, desto länger bleibt man mit ihm zusammen, und umgekehrt. Wenn ein langes Zusammenleben erstrebenswert erscheint, dann ist die Überbewertung von Vorteil.
Die Menschen neigen dazu, eine Verbesserung ihrer Beziehung zu erkennen, selbst wenn sie dafür übertrieben stark betonen müssen, wie schlecht sie in der Vergangenheit war (jedenfalls im Vergleich zur Gegenwart). Hat sich diese verfälschte Sicht der Vergangenheit erst einmal etabliert, werden die Verbesserungen nachvollziehbar, und je stärker wir uns ihrer bewusst sind, desto länger hält eine Beziehung. Wichtig ist dabei der Hinweis, dass wir Ursache und Wirkung nicht unterscheiden können. Vielleicht erhöht Selbsttäuschung die Zufriedenheit in einer Beziehung und ihre Dauer, sie könnte aber auch eine Begleiterscheinung anderer Faktoren sein, die diese Wirkung haben. Vielleicht bringt auch der Erfolg die Selbsttäuschung (der positiven Art) hervor.
Viele Befunde lassen darauf schließen, dass die Zufriedenheit in einer Ehe mit der Zeit linear abnimmt, aber die Menschen haben einseitige Erinnerungen – sie erinnern sich zwar an einen früheren Rückgang der Zufriedenheit, aber stärker noch erinnern sie eine Zunahme in jüngerer Zeit, die ein Gegengewicht zur früheren Abnahme schafft. In einer Studie berichteten beide Ehepartner über zweieinhalb Jahre hinweg, dass die Zufriedenheit in ihrer Beziehung stetig zugenommen habe, obwohl das nicht nachzuweisen war. Am Ende des Zeitraumes jedoch konnten die Eheleute sich nur noch an Verbesserungen in der jüngeren Vergangenheit erinnern und nicht mehr an solche in der Zeit davor.
Dagegen erschweren individuelle Prozesse der Selbstrechtfertigung die Einheit zwischen den Partnern; im Extremfall könnte man sie als »Mörder« einer Ehe bezeichnen. Eine aktive Selbstrechtfertigung wirkt dem Zusammenhalt in der Ehe offenbar stark entgegen. Auch hier wissen wir nicht, was Ursache und was Wirkung ist. Verursacht Selbsttäuschung die Störung in der Beziehung, oder wird diese durch die Selbsttäuschung nur erleichtert?
Eines aber wissen wir: Die Muster der Selbstrechtfertigung können aufschlussreich sein. Als Wissenschaftler voraussagen wollten, welche Ehepaare in drei Jahren noch zusammen sein würden, erzielten sie erstaunliche Erfolge, indem sie die Interaktionen zwischen den Partnern während aufgezeichneter Sitzungen untersuchten. Man nahm an, dass diejenigen, die ihre Vergangenheit auf gründlich negative Weise neu schrieben, ihre Beziehung beenden würden. Allein auf dieser Grundlage prophezeiten die Wissenschaftler zutreffend alle sieben gescheiterten Ehen, darüber hinaus sagten sie aber auch drei Trennungen voraus, die nicht stattfanden. Für die verbleibenden 40 Ehen prophezeiten sie richtig, es werde nicht zum Bruch kommen, so dass sich insgesamt die bemerkenswert hohe Quote von 94 Prozent richtiger Voraussagen ergibt. Zwar diskutierte kein Paar die Trennung, aber manche Eheleute redeten so, als hätten sie bereits vergessen, warum sie überhaupt geheiratet hatten, und steckten tief in dem Prozess der Selbstrechtfertigung, der offenbar dazu dient, in einer schlechten Ehe die unguten Gefühle zu verringern (selbstverständlich ohne etwas zur Rettung der Beziehung beizutragen). Andere Eheforscher behaupten, nach ihren Feststellungen stecke eine Ehe in Schwierigkeiten, wenn das Verhältnis von positiven zu negativen Handlungen gegenüber dem Partner unter 5 : 1 fällt.
Reiz und Gefahren der Phantasie
Zu phantasieren ist eine verlockende und gleichzeitig heimtückische Tätigkeit. Sie ist tief in unseren biologischen Eigenschaften verwurzelt. Von frühester Kindheit an praktizieren wir sie spontan und mit großem Vergnügen; außerdem wird sie leicht durch andere begünstigt. Wir schaffen uns eine künstliche Welt und entschließen uns dann, darin zu leben. In der Regel tritt die Phantasie auf positive Weise an die Stelle der Realität – alles wäre besser, wenn die Phantasie Wirklichkeit wäre. Wir halten beispielsweise die Arbeiten, die wir
Weitere Kostenlose Bücher