Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
hölzerne Werkbänke, schwarz von Kerben und Brandmalen, an der Wand Leisten, in denen Werkzeug klemmt. Davor ein Ungetüm von einem Gerät, von dem ich keine Ahnung habe, was es ist. Eine Fräse? Eine Stanze? Dahinter Eisenstäbe, Metallplatten, und in einer Ecke knietief Schrott und Altmetall. Alles in allem macht das auf mich einen ziemlich verwanzten Eindruck. Aus dem letzten Jahrhundert. Kurz gesagt: Sieht man sich Bastis Neandertalererscheinung an, dann ist das Trümmerfeld hier ein stimmiges Einrichtungskonzept.
Ich lege den Löffel weg, stehe vorsichtig auf, nicht ohne mir gründlich die Klamotten abzuklopfen, und tapse mit unsicheren Schritten in den Teil der Werkstatt, der im Dunkeln liegt. An einer der Säulen lehnt eine große bronzene Tafel, sicher einen Meter größer als ich, nach oben hin spitz zulaufend. Sieht aus wie die obere Hälfte eines Kirchenportals. Ich fahre mit der Hand über das Metall, es ist warm, wo es dem Brennofen zugewandt ist, und kalt auf der Rückseite. Zwischen dem Tor und der Wand steht ein weiterer langer Tisch, einfache dicke Bretter auf zwei Eisenböcken. Skulpturen sind das, zwischen einem halben und einem Meter hoch. Ob die auch von Basti sind? Ich erkenne eine Weltkugel, aus Bronze und so perfekt, dass sie fast unwirklich wirkt in der Unordnung darum herum. Daneben eine kleine Skulptur, vielleicht so hoch wie mein Unterarm, ich nehme sie und trage sie in die Mitte des Raums, damit ich sie besser betrachten kann. Ein Frauentorso, also ein Hintern mit ein bisschen Taille und ein bisschen Oberschenkeln. Kein Rubens, nein, sehr viel schlanker. Ob der Basti sich das ausgedacht hat? Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, wie eine schöne nackte Frau in diesem Chaos hier Modell steht, und drehe die Skulptur und kneife die Augen zusammen, um lesen zu können, was auf der Bodenplatte steht: Simone.
»Hallo, mein Kind«, sagt die Klosterschwester, die lautlos durch die Tür geglitten ist, gefolgt von Basti, und streckt mir beide Hände entgegen. »Schön, dich zu sehen, Josepha. Ich sehe, du bist schon wieder auf den Beinen!«
Ich stehe tatsächlich schon wieder, und außerdem ziemlich dumm da mit dem Frauenhintern in beiden Händen.
»Äh, hübsch!«, sage ich deshalb, stelle die Bronzeplastik schnell wieder auf die Werkbank und gebe der Schwester die Hand, unsicher, wie man so eine Ordensfrau begrüßt.
»Ich bin Schwester Sebastiana. Macht nichts, wenn du dich nicht an mich erinnerst«, lächelt die Schwester milde, »wir Klosterschwestern sehen eh alle gleich aus. Und du, mein Kind? Du hast das Landleben hinter dir gelassen und bist eine Großstadtpflanze geworden. Und hast ein wenig vergessen, auf dich zu achten. Passiert dir das öfter?«
»Nein«, beeile ich mich zu versichern, »ich bin schon wieder okay.«
»Natürlich, natürlich«, sagt Schwester Sebastiana und sieht kurz zu Basti, der sich hinter mich gestellt hat. Als ich mich zu ihm umdrehe, formt er mit dem Mund gerade stumm die Worte »No – pi«, und macht eine kurze Schnittbewegung am Hals.
»Ah«, kombiniert Sebastiana, »dich hat’s nach zu viel Klosterlikör umgehauen?«
Ich wehre ab. »Nein, das war ja schon gestern Abend, das kann es nicht gewesen sein. Wahrscheinlich einfach nur der Kreislauf. Ich habe den ganzen Tag kein Wasser getrunken.«
»Trotzdem, du darfst die Nebenwirkungen nicht unterschätzen«, sagt die Schwester Sebastiana, »Klosterlikör ist eine Arznei und kein Durstlöscher. In der Weihnachtsedition nach Hildegard von Bingen, die wir zurzeit verkaufen, ist Muskatnuss und ein Schuss Absinth, da kann man nach einer Überdosis sogar Halluzinationen bekommen.«
»Sie machen eine special edition ?« Ich starre die Klosterschwester überrascht an. Da tun alle so harmlos, und dann brauen sie einem in der stillen Zeit was zusammen, das schmeckt wie Almdudler und wirkt wie LSD. Kein Wunder, dass ich von Bratwürsten phantasiert habe. »Ganz schön ausgefuchst!«
»Natürlich machen wir Sondereditionen«, erklärt mir die Schwester und neigt geduldig den Kopf, »dann verkauft sich’s zweimal besser, und wenn Hildegard von Bingen draufsteht, gleich dreimal. Business ist eben Business. Aber ich denke nicht, dass dir nur der Klosterlikör so zugesetzt hat. Da ist noch etwas anderes.«
Sie sieht den Basti streng an, der an die Werkbank gelehnt dasteht, den Blick auf seine Fußspitzen, die Hände unter die Achseln geklemmt. »Sebastian. Siehst du bitte nach, ob der Nebel nachgelassen
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