Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
wirklich sein, dass ich seit gestern Abend auf der Insel unterwegs bin, aber noch nichts erreicht habe?
Es dauert ewig, bis mein Telefon endlich Olivers Nummer wählt, das Netz hier ist wirklich bescheiden.
»Oliver?«, schreie ich.
»Joe?«, höre ich seine ärgerliche Stimme, immer wieder von Rauschen unterbrochen. »Bist du crazy ? Mich auf dem Handy anrufen, in den USA? Was ist, wenn Lila ans Telefon geht?«
»Hast du denn schon mit ihr geredet?«
»Nein! Leg auf, weißt du, was das kostet?«
»Du hast ja recht, aber ich wollte dir erzählen, was hier alles passiert ist!«
»Joe, lass es! Wir skypen morgen Nachmittag!«
»Ich vermisse dich!«
Aber Oliver hat aufgelegt, und ich bin mir nicht sicher, ob er den letzten Satz noch gehört hat. Schade. Ich fühle mich irgendwie allein. Meine Arbeit fehlt mir. Mein Computer fehlt mir. Irgendwie fühle ich mich leer und unruhig. Halb acht erst. Ob ich noch mal rausgehen soll? Aber wohin, auf dieser Insel? Ich seufze, setze mich an den Küchentisch und stütze das Kinn in beide Hände.
An meinen Fingerknöcheln spüre ich immer noch den Widerstand, den Bastis Körper meiner Faust geleistet hat, und beim Gedanken an sein Lachen fange ich an, vor mich hin zu summen, wie immer, wenn mir etwas wahnsinnig unangenehm ist. Ich beschließe, mich in den Porsche zu setzen und durch die Gegend zu fahren, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Allerdings muss ich dazu erst einmal auf das Festland kommen. Und ich weiß auch schon, wie. Schließlich bin ich eine super Autofahrerin: sportlich, aber sicher. Sehr viel anders kann Bootfahren nicht sein.
Am Steg zwischen Tante Caros Haus und der Sterzinger-Schmiede hängt Bastis Holzplätte, und davor schaukelt sanft ein Aluboot, alt, aber mit einer Kajüte. An der Seite steht CAROLINE, und es erfordert nicht allzu viel Gehirngymnastik, um daraus zu folgern, dass es meiner Patentante gehört. Der rote Tank vor dem Außenborder fühlt sich ziemlich voll an. Ich finde mich sehr umsichtig, ans Benzin gedacht zu haben, wedle mit einem Taschentuch in die Ecken, um ein paar Spinnweben zu entfernen, und nehme auf dem Ledersitz vor dem Holzlenkrad Platz. Aha, die Knöpfe fürs Licht. Der Scheibenwischer. Aber nirgendwo ein Pedal, nur der Hebel rechts von mir. Ich ruckle ein paar Sekunden lang daran herum, bis mir das Prinzip aufgeht. Nach hinten: Gas. Nach vorn: Rückwärtsgang. Und das Beste: Gleich unter dem Gashebel ist die Zündung, und der Schlüssel steckt.
WRÄMMMM macht der Motor, als ich den Hebel mit etwas zu viel Schwung nach unten drücke, und das Boot macht einen Satz nach hinten. »Upsi!«, rufe ich nervös, aber es ist nichts passiert, ich befinde mich sogar wieder an der gleichen Stelle wie vorher. An meinem Herzklopfen merke ich, dass ich nicht so cool bin, wie ich gedacht habe. Trotzdem: Hebel in die andere Richtung, Lenkrad leicht einschlagen – und WRÄMMMM!
»Das ist geil!«, quietsche ich, als das Boot endlich in die richtige Richtung losschießt. Auf einmal fühle ich mich einfach unbesiegbar. Ich kann fahren, wohin ich will!
Nur nicht besonders weit. Denn das Boot wird wie von unsichtbarer Hand zurückgeschleudert und rummst mit einem Krachen an die Dammmauer.
»Bist du schon mal Motorboot gefahren?«, fragt mich jemand von oben, und ich verstehe plötzlich, warum die Emerenz sich manchmal in die Hose macht vor Schreck. Basti steht direkt neben dem ausgebremsten Boot auf der Mole und stützt sich an der Dachreling ab, damit er mich durch die Scheibe sehen kann. Offensichtlich besitzt er doch noch ein weiteres Kleidungsstück, nämlich eine Lederschürze. Und auch die sieht aus, als hätte in ihr ein Metzger aus dem Miozän damit schon ein paar Mammuts filetiert.
»Natürlich!«, lüge ich, ziemlich gestresst, und knöpfe meinen Trenchcoat auf, weil mir heiß geworden ist. »Außerdem kann das nicht so schwer sein!«
»Also nein«, meint der Basti ruhig.
»Ich kann mit einem Porsche und einem Landrover gleichermaßen super umgehen, dann kann ich ja wohl auch so eine kleine Blechschüssel fahren!«
»Freilich«, sagt der Schmied und steigt mit einem einzigen großen Zeitlupenschritt zu mir ins Boot.
»Erstmal: Leinen los. Und zwar alle!«
Basti löst das zweite Seil, das noch an dem Eisenhaken am Damm hängt und das ich übersehen hatte, und ich sauge verlegen die Luft zwischen den Zähnen ein, als hätte ich etwas zu Heißes getrunken.
»Siehste, das ist das Gute an Autos, die sind eben nicht vorne und
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