Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
einbiege.
Mit dem Porsche wäre ich jetzt elegant in den freien Parkplatz vor der BergmannPortfolio- Villa gekurvt, hätte meine Beine im engen Rock ebenso elegant aus dem Auto geschwungen und wäre in die Vermögensberatung gestöckelt. So aber brauche ich nicht einen, sondern zwei Parkplätze, und als ich mich aus dem Laster hangle, bin ich einigermaßen froh, dass ich in dieser Gegend so gut wie keine Leute kenne. Die Lechner-Oma lässt sich beim Aussteigen in meine Arme plumpsen und wischt sich mit einem Taschentuch aus einer Apothekenpackung die Stirn.
»Jessas, das war vielleicht eine Fahrt. Ich weiß schon, warum ich mich lieber in den Zug hock«, stöhnt sie und hakt mich unter, um mit mir das Foyer des kleine Palazzos zu betreten. Gedämpfte Stille empfängt uns, neben der Tür stehen zwei Marmorsäulen, auf der einen eine Kristallschale mit Mozartkugeln, auf der anderen die Porzellanskulptur eines weißen Adlers mit goldenem Schnabel und goldenen Krallen. Es sieht ein bisschen aus wie im Museum; an den Wänden hängt moderne und nicht ganz so moderne Kunst, und an einem Mahagonischreibtisch sitzt eine perfekt geschminkte Brünette mit Perlenkette und engem Blazer und lächelt uns entgegen wie eine Wetterfee. Ich bin ganz froh, dass Anneliese mir den Vortritt lässt. Ächzend nimmt sie auf einer mit rotem Samt gepolsterten Bank Platz, mit dem Rücken zu einer großformatigen Ölfarbenkatastrophe in Rot und Gold, und packt erst einmal knisternd eine Mozartkugel aus. Ich hingegen marschiere direkt und mit möglichst festem Blick auf die Brünette zu.
»Grüß Gott, Schlagbauer mein Name. Ich muss Herrn Doktor Bergmann sprechen.«
»Worum geht es denn?«, flötet die Wetterfee.
»Es geht um meine Patentante. Frau Drechsel.«
»Einen Moment bitte!«
Sie drückt einen Knopf, nuschelt in ihr Headset, nickt und legt auf, ohne ihr Betonlächeln zu verlieren.
»Herr Bergmann ist heute leider nicht im Haus. Er musste dringend in unsere österreichische Filiale.«
»Das glaube ich Ihnen nicht«, zische ich. »Der lässt sich doch verleugnen! Ich bin kurz davor, wegen Frau Drechsel eine Vermisstenanzeige aufzugeben, und Sie werden sicher nicht wollen, dass hier die Polizei einläuft, um Sie zu einer Ihrer Klientinnen zu verhören, oder?«
Der Gesichtsausdruck der Schalterschönheit gefriert zu Eis, und sie nimmt eine ihrer Hände von der rotledernen Schreibunterlage, um sie unter die Tischplatte zu schieben.
»Auf Salzburg ist er gfahrn, der Herr Doktor?«, kommt jetzt die brüchige Stimme der Lechner-Oma überraschend und in ziemlicher Lautstärke von der Seite. »Das ist jetzt echt schad. Weil, nachdem ich auch fast keine Rente nicht krieg und die Caroline mir aus dem Urlaub geschrieben hat, wie gut es ihr geht, brauch ich einen Berater, der wo mir auch so ein super Angebot macht.«
Sie hat tatsächlich eine Postkarte im ausgestreckten Arm und wedelt damit herum, als würde sie einen ganzen Schwarm Wespen von einem Stück Zwetschgendatschi verscheuchen wollen. »Aber wenn er nicht da ist, der Herr Doktor Bergmann, dann kann man nichts machen, gell? Sie können mir sicher einen Kollegen empfehlen von Ihrem Chef, der wo sich auch gut mit Grundstückeln auskennt. Oder mir fahren gleich zum Immocenter von der Hypo, was meinst, Sefferl?«
Bevor ich mich noch aufregen kann, dass mir eine so wichtige Information wie eine Ansichtskarte meiner Patentante verschwiegen worden ist, zieht mich die alte Lechnerin zu sich herunter.
»Was wetten wir, dass der vorm Fernseh sitzt!«, flüstert sie und zeigt nach oben auf die mit glimmenden Spots besetzte Decke, von denen einer nicht leuchtet. »Da is drin, die Überwachungskamera! Mir müssen so tun, als täten wir wirklich gehen wollen!«
Gerade als die goldenen Messingtüren lautlos vor uns aufgleiten und mir das Rauschen der Autoreifen auf dem nassen Kopfsteinpflaster der Auffahrtsallee unwirklich laut vorkommt gegen die diskrete Atmosphäre der Geschäftsräume, taucht Herr Doktor Bergmann vor uns auf. »Wie gut, dass ich meinen Schirm vergessen hatte, so haben Sie mich gerade noch erwischt«, begrüßt er uns jovial und deutet eine kleine Verbeugung an.
Er trägt einen cremefarbenen Anzug zum rosa Hemd, und seine Frisur sieht aus, als wäre er mit einem Foto von Donald Trump zu einem Hundefriseur gegangen. Die apricotfarbenen Haare an seinem tiefen Scheitel sind über den Kopf gekämmt und mit einer ziemlichen Dosis Haarspray zu einem dünn glänzenden Gespinst
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