Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
irgendwann auf seiner Dachterrasse Champagnercocktails trinken kann!
»Du willst ein Autohaus in dieser Lage aufgeben? Oliver, das kannst du nicht machen. Dann verlieren wir beide unsere Existenzgrundlage!«
»Nun«, meint Oliver jetzt sachlicher und tippt die Finger aneinander, »dann kauf Lila doch raus.«
»Rauskaufen?«
»Ich denke, du hättest das Seeblick erben sollen?«
»Ja, schon. Allerdings muss ich dann zuerst einmal diesem Bergmann die Tour vermasseln.«
»Und dann wirst du es erben, so wie du dich im Moment reinhängst.«
»Wie denn, Tante Caro ist doch gar nicht tot!«
»Weiß man’s?«
»Oliver!«, fahre ich hoch. »Morgen werden wir …« Aber Oliver unterbricht mich und packt vor Begeisterung seinen Computer und schüttelt ihn leicht.
»Versteh doch, Joe, du könntest dir einen Teil des Erbes auszahlen lassen! Stell dir vor, wenn du Lila rauskaufst, wirst du die Chefin. Was willst du denn mit einem Schuppen auf dieser Fraueninsel, auch wenn er eine Villa ist?«
Ich wende den Blick ab, weil mir leicht seekrank wird von dem Gewackel am anderen Ende der Leitung und weil ich ganz froh bin, wenn Oliver mein Gesicht nicht sehen kann. Aber dann steigt vor meinem inneren Auge Dieter auf einer Leiter aufs Dach, um die Neonbuchstaben von Auto König durch ein Auto Schlagbauer zu ersetzen.
»Das klingt phantastisch«, nicke ich langsam. »Ich werde es mir überlegen.«
Am nächsten Tag ist Mittwoch, der erste Dezember, und auf der Fraueninsel hat jemand alle Farben geklaut. Himmel, Wasser, Berge, Bäume, Häuser sind grau in grau wie eine alte Tagesschau. Dazu passt das silbergraue Aluboot, das sich um Punkt dreizehn Uhr fünfundzwanzig mit drei schwarz-weiß gekleideten Klosterschwestern darin an der Westseite der Insel in Bewegung setzt, Richtung Festland, und pünktlich um dreizehn Uhr dreißig am Insulanerhafen anlegt. Die Klosterschwester am Steuer ist offensichtlich ungeübt, es kostet sie einige Anläufe, weil am Ufer erste Eisschollen wie Schuppen übereinander liegen, angeschwemmt und übereinandergeschoben vom Ostwind, der heute wieder heftiger bläst.
Am Hafen macht sie eine Schleife ins Tau, ruft: »Der Krankenwagen ist da!« und rennt mit flatterndem Gewand auf den Parkplatz zu, auf dem ein Oldtimer steht, ein orange-beiger Chevrolet-Kombi mit Blaulicht und imposantem Kühlergrill, die seitliche Aufschrift AMBULANCE von stromlinienförmigen Chromleisten unterstrichen.
»Joe? Ich glaub, ich krieg die Masern!«, begrüßt der Fahrer des Krankenwagens die Schwester. Er sieht in seiner Bomberjacke und der Schiebermütze auf der Glatze nicht gerade aus wie ein Rettungssanitäter,und gibt der Nonne sehr vorsichtig ein High-Five auf die ausgestreckte Hand. »Haste dir beim lieben Gott beworben?«
»Nein, die Ordenstracht ist nur geliehen«, strahle ich Dieter an und prüfe, ob die Haarklammern am Schleier gut sitzen. »Optimal, dass du mich nicht gleich erkannt hast, das ist ein gutes Zeichen! Die Lechner-Oma sitzt nämlich seit morgens vor dem Altar der seligen Irmengard und betet, dass alles gut geht. Wir warten noch auf David, und dann fahren wir zum Attersee. Das ist übrigens Helga, sie ist Ärztin. Und das ist Kati, die ist eigentlich Fischerin.«
»Alles klar …«, meint Dieter und schaut von einer falschen Nonne zur anderen, als wären wir nicht ganz sauber unter dem Schleier, »kann ich zuerst die Knete haben?«
Ich nehme ihn mit zum Geldautomaten am Dampfersteg und zähle ihm die vereinbarten vierhundert Euro Miete für den Oldtimer auf die Hand. Dann packe ich weitere drei Hunderter in Umschläge, und es gruselt mich kurz, weil ich gerade mein Gehaltskonto plündere.
»Der Zweck heiligt die Mittel«, predige ich mir selbst, verstecke die Umschläge in der Tasche unter dem schwarzen Stoffstreifen, der bei der Ordenstracht vor Brust und Bauch hängt, und folge Dieter gemessenen Schrittes zurück zum Parkplatz, bis mir ein roter Sportwagen mit bollerndem Motor den Weg abschneidet.
»Bittschön«, sagt der Janni schlicht und steigt aus Olivers Porsche. »Da wär er wieder. Vollgetankt und nix für ungut.«
Ich nehme ihm den Porscheschlüssel ab und schaue nervös zur winterlichen Insel hinüber, der Kirchturm auf der Ostseite weiß von Schnee. Es ist Viertel vor zwei.
»Wo bleibt denn David?«, frage ich Kati. Die deutet landeinwärts.
»Der müsste eigentlich schon hier auf dem Festland sein, weil er sein Auto holen wollte. Ein Saab mit Züricher Kennzeichen, das kommt
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