Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
und drücke sie vorsichtig.
»Kommt, fasst mit an, ihr habt später noch genug Zeit«, herrscht uns Helga an und löst die Bremse am Fußende des Bettes, »ich hab euch nicht zum Händchenhalten mitgenommen, sondern zum Anpacken!«
Auf dem Gang ist es immer noch menschenleer, aber um zum Notausgang zu gelangen, müssen wir die Station verlassen und Tante Caro samt Bett an einem Aufenthaltsraum vorbeifahren, in dem ein paar alte Leutchen im Morgenrock auf ein »Mensch ärgere dich nicht«-Brett starren.
Durch die Glasscheibe des Notausganges kann ich sehen, dass Dieter ganz nach Plan draußen die Bahre aus dem Krankenwagen platziert hat. Ich halte den Atem an, als ich den Riegel für den Notausgang nach oben drücke, aber Basti hatte recht, er ist wirklich nicht mit einem Alarmsystem gekoppelt, und kalte Winterluft schlägt uns entgegen, als ich auch noch den zweiten Flügel öffne.
»Los, los, los!«, feuert Helga uns an, denn wir müssen uns beeilen, Tante Caro umzuparken, vom Bett in die Bahre. Das Dumme ist nur, dass Dieter die schmale Liege nicht direkt vor die Tür gestellt hat, sondern ein paar Schritte davor, zur Tarnung halb in die Buchsbaumhecke. Weil wir gleich im Visier der über dem Notausgang installierten Überwachungskamera sein werden, schlägt Kati Tante Caro in ihre Bettdecke ein wie einen Räucherfisch in Pergament.
Auf »Hau-ruck!« heben wir die alte Dame aus ihrem Bett. Oder versuchen es zumindest. Ich hatte erwartet, dass Tante Caro leicht wie eine Feder sein würde, aber weil sie nicht selbst mithelfen kann, ist sie schwer wie ein Sandsack.
»Noch einmal! Hau …«, schreie ich, langsam etwas hektisch.
»Jetzt wartet doch«, geht Helga dazwischen und klappt mit zwei Handgriffen die Gitter des Krankenbettes rechts und links nach unten.
»Und hoch!«
Tante Caro ist für zwei Sekunden in der Schwebe. Sie hängt kurz nach unten durch wie ein Gartenschlauch, aber dann hieven Kati und ich sie auf die kunstlederbezogene Liege, während Helga uns die Tür des Notausgangs aufhält.
Zu dritt rucken wir an dem alten Fahrgestell aus lackiertem Stahlrohr, durch Tante Caros Gewicht blockieren die dünnen Räder, und bei dem Versuch, sie auf der klumpig gefrorenen Erde zu rollen, klappt uns beinahe die komplette Bahre ein.
»Scheiße«, schreie ich, »wir müssen das Ding aus diesem Beet rausheben!«
Das ist nicht so leicht, weil wir aufpassen müssen, dass uns Tante Caro dabei nicht in die Rabatten kullert, und trotz der Minusgrade wird mir unter dem Schleier heiß wie im Dampfbad. Aber nichts rührt sich, und es ist sehr schnell klar, dass unser Plan, Tante Caro mal eben die Straße bis zum Krankenwagen zu rollen, nicht aufgeht.
»Dieter, bring den Krankenwagen schnell hierher, wir schaffen’s nicht zu dir!«, ruft Kati in ihr Handy. Helga deutet nach rechts auf die zwei Säulen Richtung Haupteingang und reicht mir das Fernglas aus ihrem Arztkoffer.
»Sag ihm, er muss sich beeilen!«
Zwischen den zwei Säulen, die den Eingang zu Heiligenruh flankieren, sind gerade drei Menschen aufgetaucht. Eine Dame im roséfabenen Kostüm reicht Basti und David die Hand, die Besprechung scheint zu Ende zu sein. Wir liegen also alles andere als gut in der Zeit. Ich kneife die Augen zusammen, und tatsächlich, ein blau gekleideter Mitarbeiter gesellt sich zur Federlein, er scheint ziemlich aufgebracht, und ich sehe, wie sich die Chefin des Pflegeheims gestresst an den Hals fährt und Basti und David nachsieht, die gerade in den Saab steigen. Der ziemlich muskulöse Pfleger schaut sich suchend um, es nützt nichts, dass ich den Kopf einziehe, er zeigt in unsere Richtung, ruft etwas und setzt sich in Bewegung.
»Schnell!«, schreie ich dem Saab entgegen und rudere mit den Armen, weil ich weiß, dass die angeblichen Bankmitarbeiter noch zu weit weg sind, um mich zu verstehen. »Sie werden gleich hier sein!«
David startet los, dass der Rollsplitt nur so spritzt. Ich werfe einen besorgten Blick auf Tante Caro, aber ihre Wangen haben einen leichten Rosaton. Ein paar Sekunden später ist Basti da, in seinem ungewohnten Bankerlook und dem neuen glatten Gesicht. Er greift von vorn unter die Liegefläche, Kati und ich passen auf, dass sie nicht umkippt, und die Bahre macht einen Satz und flutscht von der Buchsbaumhecke weg Richtung Auffahrt.
Dieter bleibt geistesgegenwärtig mit dem Heck des Krankenwagens direkt vor uns stehen und stürzt heraus.
»Dieter, du Knallfrosch«, schimpfe ich los und helfe Basti, die
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