Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
und drehe sie ein bisschen herum, bevor ich mich zu fragen traue: »Was ist eigentlich passiert, damals?«
»Sie hat sich wehgetan, und ich war schuld.«
»Oh.«
»Beim Bergsteigen, im November, und sie hat ihre Bergschuh vergessen.«
Eine Ader schwillt auf Bastis Stirn an.
»Sie ist trotzdem hoch. In Turnschuhen. Und ich hab mir gedacht, wird schon passen.«
»Oh Gott. Und dann ist sie verunglückt?«
»Ja. Beckenbruch. Ganz lang hat’s so ausgeschaut, als könnt sie nicht mehr richtig laufen. Das ging gar nicht. Für einen Snowboardprofi, wie sie einer war. Und ob sie jemals Kinder kriegen kann, das steht auf einem ganz anderen Stern.«
»Und dann?«
Basti zerhackt den Quader Speck erst in zwei Teile, dann in vier Teile, dann in acht.
»Dann ging’s auseinander. Sie kam aus der Reha und hat ihre Sachen gepackt. Keinen Tag länger ist sie geblieben. Und das alles wegen den verdammten Schuhen.«
»Und du machst dir immer noch Vorwürfe.«
Basti nickt, der Speck inzwischen nur noch kleine Fitzel. Das kann doch nicht sein, dass er sie nach fünf Jahren immer noch so mag, oder?
»Liebst du sie noch?«, frage ich total beiläufig. Basti zuckt mit den Schultern und haut das Messer ins Holzbrett, dass es mit zitterndem Griff darin stecken bleibt. Er kneift die Augen zusammen, damit sie ihm nicht überlaufen, und streckt die Hand nach meiner aus.
»Ich weiß, du willst heim, aber kannst du mir noch ein bisserl Gesellschaft leisten?«
Ich nicke und drücke seine Hand, fest und warm, wie sie ist, und merke, wie mein Puls Alarm schlägt. Soll ich fragen, soll ich nicht? Ich klaue mir ein Stück Speck mit Essiggurke, und der ungewohnte, deftige Geschmack macht mir irgendwie Mut.
»Basti. Das ist jetzt sehr unpassend, aber: Bist du zu traurig, um mit mir Sex zu haben?«
Basti nimmt sich die Champagnerflasche und trinkt unerwarteterweise einen großen Schluck, schweigt, trinkt noch einen Schluck und dann noch einen.
»Find’s raus«, meint er dann, steht auf und hebt seinen Arm.
Diesmal bin ich diejenige, die Basti festhält, meine Arme um sein kräftiges Kreuz geschlungen. Und als er eingeschlafen ist, ziehe ich vorsichtig meinen Arm unter seinem Kopf hervor und beiße mir nervös auf die Lippen, viel zu unruhig, um ans Schlafen zu denken.
Bastis Stirn ist hoch, jetzt, wo seine Haare aus dem Gesicht nach hinten aufs Kopfkissen fallen. Seine Frisur ist wohl so ein Naturwunder, weil seine Haare so unterschiedlich wachsen: Manche sind am Ansatz krause, wilde Wolle und werden dann in der Länge glatt, manche Strähnen sind erst fein und seidig und drehen sich dann zu einer Art Korkenzieher, die Enden viel blonder als die dunkelbraunen Ansätze. »Chiemseehaare«, sage ich leise vor mich hin und streiche kurz darüber. Wie er wohl ohne seine Mähne aussehen würde? Überflüssig, mir das vorzustellen, denn einer wie Basti würde sicher nie auf sein Fell verzichten. Aber zwischen dem Bartansatz und den Schlüsselbeinen ist die Haut glatt und blass, eine Kette aus braunen Muschelscheiben liegt darüber, und ich nehme die Bettdecke und ziehe sie bis dorthin hoch, damit ihm nicht kalt wird.
Der Auslöser meiner Handykamera klickt. Ich halte erschrocken inne, aber Basti hat nicht gemerkt, dass ich ihn im Schlaf fotografiert habe, und ich schleiche mich nach draußen.
Aus der Werkstatt nehme ich mir für das vereiste Bootsfenster eine Art Spachtel mit, ein scharfkantiges Metallding mit einem Holzgriff. Es ist Vollmond, und der Schnee reflektiert ein silbernes, festliches Licht. Die Tuffsteine der Hafenmauer sind von den heranschwappenden Wellen vereist und glänzen wie glasiert. Friedlich liegt das Boot da, die Schraube nach oben geklappt. Basti muss das gemacht haben, damit sie nicht einfriert, und ich muss lächeln, weil er immer so unfreundlich tut, aber gleichzeitig seine Augen überall hat. Sein Kahn liegt mit dem Bug seewärts im Wasser, mit der rechten Seite zu mir, und ich ziehe ihn vorsichtig heran, um den roten Streifen an der Seite besser sehen zu können. Ich fahre mit den kalten Fingerspitzen darüber, ja, da sind Unebenheiten, und als ich den Spachtel ansetze, blättert die Farbe ab. Es reicht mir, den ersten Buchstaben teilweise freizulegen. Ein halbes S.
S wie SIMONE.
Ich trotte nach Hause, unsicher, was ich mit dieser Information anfangen soll. Natürlich hat er sein Boot nach seiner Freundin benannt, ich meine, die wollten heiraten! Na und? Aber irgendwie geht es mir nicht gut, bin ich etwa
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