Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
Tisch geknallt.« Dieter hält den Zuckerstreuer für gefühlte dreißig Sekunden über seinem Pappbecher. »Aber jetzt, wo ich gesehen habe, wie du die Alte da rausgehauen hast – alle Neune! Da warste mir beinahe sympathisch.«
»Danke«, meine ich und wende die Augen nicht von Basti, der sich nach dem Tanken die Hände am Anzug abwischt wie sonst immer an seiner Lederhose.
»Aber weißt du was, Dieter? Ich glaube, ich werde nicht deine Chefin werden. Ich kann nicht.«
»Schlechtes Gewissen?«, meint Dieter und rührt mit einem weißen Stäbchen durch den Zuckerpamp.
»Ja«, nicke ich, »riesengroßes schlechtes Gewissen.«
»Gratuliere«, nickt Dieter. »Jetzt echt. Hätte ich dir gar nicht zugetraut, rein menschlich gesehen.«
Darauf weiß ich nichts zu sagen, nie hätte ich gedacht, dass ich meinen Ehrgeiz einfach sang- und klanglos das Klo hinunterspülen würde, und ich muss so verzagt aussehen, dass sogar Schrauber-Dieter seinen Arm um mich legt und mich kurz drückt.
»Hey, Schwester, nun lassen Se ma den Kopf nicht hängen. Wird schon. Aber – was machste denn dann mit Oliver?«
»Ich weiß nicht. Ich muss mit ihm reden, ob nicht einfach alles so bleiben kann. Lief doch gut bisher.«
»Du meinst – du bist der Betthase vom Chef und die Verkaufsleitung.«
»Genau. Und wenn Lila mich aus der Firma wirft, dann …« Ich muss kurz schlucken. Aber dann zuckt Joe Schlagbauer, bis vor Kurzem noch knallharte Karrierefrau, mit den Schultern und fährt lapidar fort: »… dann schau ich einfach mal.«
Und das Komische daran ist: Ich meine es auch so.
Helga sieht mir und Dieter besorgt entgegen.
»Josepha, du bist ja ganz blass, ist dir schlecht?«
»Nein! Alles in Ordnung«, murmle ich erst mit gesenktem Kopf, aber dann strecke ich das Kreuz durch und strahle sie an, »alles in allerbester Ordnung!«
Als der Krankenwagen eine halbe Stunde später vor der Landerampe der Fraueninsler Autofähre zum Stehen kommt, drücke ich Tante Caros Hand noch einmal, gebe ihr einen sanften Kuss auf die Backe und stürze dann hinaus, dem Porsche entgegen.
»Wir haben’s geschafft!«, schreie ich Basti zu und platze fast vor Stolz. »Hast du gesehen, wie ich die Federlein fertiggemacht habe?«
Basti breitet die Arme aus, und ich sehe ein paar japanische Touristen auf dem Weg zum Dampfer ihre Kameras zücken, weil sich eine Klosterschwester von einem gut aussehenden Banker durch die Luft wirbeln lässt wie ein kleines Kind.
Am Abend läuft zuerst alles vorbildlich, Anneliese, Leonie und ich hatten als Erstes einen Plan gemacht, um uns in der Nacht am Bett der heimgekehrten Caroline abzulösen. Tante Caro war fest eingeschlafen und atmete tief, sie schnarchte sogar ein kleines bisschen, Puls, Blutdruck, alles normal, und Helga war beruhigt zur Nachtschicht in die Klinik verschwunden. Aber als ich mich am Ende meiner Schicht entscheide, dass vier Uhr morgens nicht zu spät war, um noch auf einen Sprung zur Schmiede hinüberzuschleichen, kommt mir Leonie hintergelaufen.
»Josepha! Die Caro ist aufgewacht, und sie muss die ganze Zeit brechen!«
»Hol Basti! Und Janni!«, schreie ich und renne zurück ins Haus.
»Die ist fett auf Turkey«, diagnostiziert Leonie fachmännisch und sieht mir zu, wie ich Tante Caro den kalten Schweiß aus dem bläulich angelaufenen Gesicht tupfe. Auch Dieter ist aus seinem Zimmer im ersten Stock aufgetaucht, und Basti nickt und kratzt sich zwischen den Knöpfen seines Longjohns an der Brust, jetzt wo er sich nicht mehr den Bart kraulen kann.
»Ich könnt den Heli rufen«, schlägt Janni vor.
Aber Tante Caro, sowieso von Krämpfen geschüttelt, wackelt heftig mit dem Kopf. »Ich geh nimmer in eine Klinik, lieber sterb ich!«
Sterben? Ich bekomme einen heftigen Schreck.
»Das kannst du jetzt aber nicht bringen«, schimpfe ich, »da fahren wir diese Guerillaaktion und entführen dich aus Heiligenruh , und du nippelst uns hier ab!«
Aber Caro stöhnt nur und verdreht die Augen, und Leonie rennt los, um Schwester Sebastiana zu holen. Ich bleibe allein bei Tante Caro und tupfe ihr den Schweiß von der Stirn, während sie sich den Bauch hält und zusammenrollt wie ein Baby.
»Du Arme« flüstere ich und drücke ihr immer wieder die Schulter. »Alles wird gut. Alles wird gut.«
Hoffentlich. Aber was, wenn ich mir und der kranken alten Dame nur etwas vormache und nicht alles gut wird? Ich streichle sanft Caros Wange, und sehe uns wieder vor mir, wie wir im Sommer nebeneinander an dem
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