Bettler 02 - Bettler und Sucher
mit denen Drew und Miranda einander bewarfen, waren von derselben Sorte wie diejenige, mit der ich mich herumschlug, seit ich in Washington den Zellreiniger kennengelernt hatte: Wer sollte grundlegend neue Techniken kontrollieren und steuern? Nur machten die beiden hier einen privaten Schlagabtausch daraus – wie Liebende aus allem und jedem einen privaten Schlagabtausch machen können. Wer sollte die technische Entwicklung kontrollieren und steuern…?
Und – damit kein Irrtum passiert – technische Entwicklung ist etwas Darwinisches. Sie breitet sich aus. Sie schreitet fort. Sie paßt sich an. Das Gefährlichste rottet das am wenigsten Gerüstete aus.
Die AEGS hatte gehofft, verhindern zu können, daß die radikalen Techniken in falsche Hände gelangten. Aber Huevos Verdes waren die richtigen Hände: die Hände, die Nanotechnik dazu einsetzten, Menschen zu stärken, nicht sie zu vernichten. Das war es, was die AEGS nicht einsehen wollte. Sie waren nicht da, um zu richten, sagten sie; sie waren da, um den Willen des Gesetzes auszuführen. Vielleicht hatten sie recht.
Aber irgend jemand mußte irgendwo und irgendwann richten, sonst würden wir im reinsten darwinischen Dschungel enden.
Huevos Verdes hatte gerichtet. Und ich, indem ich die AEGS kein zweitesmal gerufen hatte, zusammen mit ihnen. Es gab keine Möglichkeit zu entscheiden, ob irgend jemand von uns recht hatte.
All das erkannte ich – mit dieser sonderbaren Klarheit, die einen in körperlichen Krisen überkommt –, während ich Drew Arlen und Miranda Sharifi dabei zusah, wie sie einander in dem eisigen Wald zerfleischten.
Er sagte: »Ihr habt kein Recht, dieses Projekt durchzuführen! Ihr hattet es nie! Nicht mehr als Jimmy Hubbley…«
»Es hieß doch immer ›wir‹, und nicht ›ihr‹«, sagte sie. »Du warst ein Teil des Ganzen.«
»Jetzt nicht mehr.«
»Weil du irgendwelchen irren Fortschrittshassern in die Hände gefallen bist? Mein Gott, Drew, Jimmy Hubbley mit uns zu vergleichen…«
»Also hast du von ihm gewußt! Und mich monatelang dort sitzengelassen!«
»Nein! Wir wußten von der Konterrevolution, aber nicht genau, wo du warst…!«
»Ich glaube dir nicht. Du hättest mich finden können. Ihr SuperS könnt doch alles, oder etwa nicht?«
»Du denkst, ich lüge dich an…?«
»Ja«, sagte Drew, »ich denke, du lügst.«
»Nein, ich lüge nicht! Drew…!« Es war ein Schrei in höchster Seelenqual. Ich konnte ihr nicht ins Gesicht sehen.
»Ihr hättet auch den Duragem-Spalter stoppen können! Ihr habt gewußt, daß er aus dem Untergrund kommt! Aber ihr habt zugelassen, daß er den gesellschaftlichen Zusammenbruch herausfordert, weil das besser den Weg freimachte für das Projekt! Für eure Pläne! Stimmt das etwa nicht, Miranda?«
»Ja. Wir hätten den Spalter stoppen können.«
»Und ihr habt es mir nicht gesagt.«
»Wir hatten Angst…« Sie verstummte.
»Angst wovor? Daß ich es Leisha sagen würde? Den Medien? Der AEGS?«
Mit ruhigerer Stimme sagte sie: »Und genau das hast du ja auch getan. Bei erster Gelegenheit. Wir haben dich gesucht, Drew, aber wir sind nicht allmächtig. Es gab keine Möglichkeit herauszufinden, wo, in welchem Bunker… Und inzwischen hast du exakt das getan, was Jon, Nick und Christy vorausgesagt hatten – du gabst die Informationen über das Projekt an die AEGS weiter.«
»Weil ich anfing, selbständig zu denken. Wiederum. Endlich. Und das können die SuperS nicht brauchen, stimmt’s? Ihr wollt für uns alle denken und ihr wollt, daß wir euch gehorchen, ohne Fragen zu stellen. Weil ihr es immer am besten wißt. Mein Gott, Miranda, irrt ihr euch denn niemals?«
»Doch«, sagte sie. »Ich, zum Beispiel, habe mich in dir geirrt.«
»Das wird kein Problem mehr für dich darstellen.«
»Du sagtest doch, du würdest mich lieben!« schluchzte sie.
»Jetzt nicht mehr.«
Sie fuhren fort, einander anzustarren. Drews Gesichtsausdruck konnte ich nicht deuten. Mirandas Züge waren wie versteinert; ihre Tränen versiegten. Ihre Augen waren Laser.
Sie sagte: »Ich habe dich wirklich geliebt. Aber du konntest es nicht ertragen, zweitrangig zu sein. Das ist es, was in Wahrheit hinter deinem Verrat steckt. Jon hatte recht. Du begreifst nicht das ganze Ausmaß des Projekts. Du begreifst gar nichts.«
Drew antwortete nicht. Der Wind frischte auf, er roch nach kaltem Wasser. Wieder wehten ein paar Blätter von den Ästen der Eiche. Die Birke erschauerte. Die Geräusche hinter mir verstärkten sich. Ich
Weitere Kostenlose Bücher