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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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werden. Dieselbe nackte Birke, weiß und zitternd. Dieselbe alte Eiche. Ich hob den Kopf, um auf die vier Männer zu starren, die aus dem Rumpf der Regierungsmaschine kletterten, und Miranda stieß mir die Nadel in den Nacken. Mit der anderen Hand hielt sie mich an der Schulter fest, während die Spritze sich leerte.
    Sie war sehr kräftig.
    Irgendwie machte mir dieser eine Umstand einen klaren Kopf, was zeigt, wie verrückt die ganze Situation war. Ich sagte, fast so, als wären wir alle beteiligt an derselben Verschwörung: »Diese Leute können nicht herein, nicht wahr? Sie konnten es ja beim erstenmal nicht mal finden und jagten die falsche Anlage in die Luft! Sie müssen uns gefolgt sein, Billy und Annie und Lizzie und mir… oh, es tut mir so leid, Miranda…!«
    Sie hörte nicht zu. Erschüttert bemerkte ich – es war das Überraschendste, was bisher geschehen war, denn schließlich wußte ich ja alles über den Zellreiniger, ich hatte ihr zugehört, als sie ihn in Washington erklärte –, zutiefst erschüttert bemerkte ich also, daß sie Tränen in den Augen hatte. Mit den Fingern ihrer rechten Hand umschloß sie die der linken. Sie bedeckte den Ring.
    Ein fünfter Mann wurde aus dem Flugzeug und in einen Rollstuhl gehoben, den einer der anderen rasch entfaltet hatte. Von neuem überrascht sah ich, daß es Drew Arlen war, der Lichte Träumer.
    Er legte die Hand auf den Stamm der Birke, und ich wußte nicht – und sollte es auch nie herausfinden –, ob er sich nur abstützen wollte oder ob es Teil der Eintrittsprozedur war – die Aktivierung eines Mechanismus etwa, oder ein Hauterkennungssystem oder einfach eine Sicherung irgendeiner noch nie dagewesenen Art. Dann sprach er eine Reihe von Wörtern, sehr deutlich, mit dieser berühmten Stimme. Die Tür über unseren Köpfen ging auf.
    Miranda machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten – vorausgesetzt, sie wäre dazu in der Lage gewesen. Aber natürlich war sie dazu in der Lage. Gewiß gab es jede Menge Schilde und Gegenschilde – irgend etwas in dieser Richtung. Das waren doch Super-Schlaflose!
    Die vier AEGS-Agenten kamen die Stufen herab, als wäre dies ein Rübenkeller in Kansas. Sie hatten ihre Waffen gezogen, was mich mit plötzlicher Verachtung erfüllte. Drew Arlen blieb draußen.
    »Miranda Sharifi, ich verhafte Sie wegen Mißachtung des Gesetzes zum Schutz genetischer Standards, Absatz 12 bis 34, wo festgesetzt wird…«
    Sie ignorierte die Männer. Sie eilte an ihnen vorbei, als wären sie inexistent, und ein Leuchten hüllte sie plötzlich ein, bei dem es sich um eine Art elektrischen Schutzschild handeln mußte. Einer der Agenten streckte die Hand nach ihr aus, schrie auf und barg die verbrannte Hand in der anderen, das Gesicht schmerzverzerrt. Der Mann, der die Treppe blockierte, zögerte; ich sah, daß er eine halbe Sekunde lang daran dachte, seine Waffe abzufeuern, und es dann doch sein ließ. Ich sah seinen späterem Bericht geradezu vor meinem geistigen Auge: »Unbeteiligte Personen waren anwesend, was es nicht ratsam erscheinen ließ…« Oder vielleicht war ihnen allen klar, daß derjenige, der Miranda Sharifi offiziell umbrachte, was seine Karriere betraf, selbst eine Leiche war. Für alle Zeit. Der Sündenbock. Der Agent trat beiseite.
    Miranda stieg langsam, schwerfällig die Treppe hoch, die dunklen Augen immer noch voller Tränen. Drei der Männer folgten ihr. Nach einem Augenblick der Benommenheit schoß ich hinter ihnen her.
    In dem kalten Novemberwald saß Drew Arlen in einem Y-energiebetriebenen Rollstuhl. Miranda trat vor ihn hin. Ein leichter Wind schüttelte die Eiche, und die toten Blätter raschelten. Ein paar fielen zu Boden.
    »Warum, Drew?«
    »Miri – du hast nicht das Recht, für 175 Millionen Menschen eine Entscheidung zu treffen! Nicht in einer Demokratie! Nicht ohne Grenzen und Gegengewichte. Leisha sagte…«
    »Kenzo Yagai hat es getan. Er hat entschieden. Er schuf billige Energie und veränderte die Welt zum Besseren.«
    »Ihr hättet den Duragem-Spalter aufhalten können. Ihr habt es nicht getan. Menschen sind deswegen gestorben, Miranda!«
    »Wenn wir ihn gestoppt hätten, wären es viel mehr gewesen! Auf lange Sicht gesehen!«
    »Das war aber nicht eure Begründung! Ihr wolltet einfach Beherrscher der Lage sein! Ihr SuperS, die nie sterben müssen!«
    Hinter mir war ein Geräusch zu hören, aber ich drehte mich nicht um. Was ich vor mir sah, war weitaus wichtiger, als jedes Geräusch sein konnte. Die Fragen,

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