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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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wildes Geschrei von Antworten folgte: die Regierung; die Nahrungsmittelverteiler, die keiner mehr benötigte; das Militär. Die Macher, die Macher die Macher…
    Ich hörte keinen einzigen sagen: »Die Untergrundkämpfer.« Bedeutete das, daß keine Angehörigen der Untergrundbewegung unter uns waren? Nicht einmal Informanten? Es mußte Informanten geben, jeder Krieg hatte welche.
    Informanten würden sich in ihre Umgebung einfügen müssen; das hieß, sie mußten wie alle anderen auch ihre Spritze erhalten haben. Hieß das weiter, daß auch sie nicht-menschlich waren? Wer genau fiel unter die Kategorie ›Nicht-Mensch‹?
    Ich sah, wie Lizzie sich durch die Menge kämpfte, und spürte, wie ihre Hände mich ins Zelt zerren wollten. Wenn sie etwas zu mir sagte, dann verlor es sich in dem allgemeinen Lärm rundum. Ich streifte ihre kleinen, hartnäckigen Finger ab und blieb, wo ich war.
    Das Holo fuhr fort zu blinken, und dann plötzlich ging ein Aufwogen durch die Menge, und sie fing an, sich auf das Gefängnis zuzubewegen. Es geschah nicht so gleichzeitig, daß jemand in Gefahr kam, niedergetrampelt zu werden, und die Leute wichen auch den Zelten und Lagerfeuern aus. In dem grellen, pulsierenden Licht des Holos sah ich, daß sich eine ähnliche Welle von den bewaldeten Hängen in der Umgebung herabbewegte. Die Nutzer hatten sich aufgemacht, um Miranda, ihre auserwählte Ikone, zu beschützen.
    »Soll sich bloß wer unterstehen, ihr was anzutun…!«
    »Die is’ menschlich, jawohl, genau wie der, wo mit närrischen Holos daherkommt!«
    »Die sollen nur versuchen, sie anzurühren…!«
    Was, um alles in der Welt, glaubten sie denn, unternehmen zu können, um ihr zu Hilfe zu kommen?
    Und dann fing der Singsang an; er begann dicht an den Gefängnismauern, verbreitete sich rasch nach außen und übertönte gelegentlich aufflackernde Diskussionen und Proteste. Als ich den äußeren Rand der Schulter an Schulter vorwärtsdrängenden Menge erreichte, war der Singsang zu einem kraftvollen Chor geworden, der sich aus Tausenden Kehlen über das Land hob. »Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda…!«
    Fackeln wurden entzündet, und innerhalb von dreißig Minuten standen sämtliche Menschenwesen, die sich in einem meilenweiten Umkreis befunden hatten, dicht an den Gefängnismauern, die Gesichter voll grimmiger Entschlossenheit und hektischer Erregung, wie es bei Leuten vorkommt, wenn sie auf etwas erpicht sind, das sich ihrem Einfluß entzieht. Der Schein der Flammen färbte ihre schlichten, reizlosen Nutzer-Gesichter rosig; manche waren auch rot und blau gestreift, wenn die Farben des Holos darüber hinwegblitzten. Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda! Freiheit für Miranda…!
    Von den schweigenden grauen Mauern kam keinerlei Reaktion.
    Eine Stunde lang wurde der Chor fortgesetzt – genauso lange, wie das Holo seine Todesbotschaft an jene aussandte, die wie Miranda waren.
    Und wie ich.
    Und wie die Nutzer, die die Spritze bekommen hatten?
    Als das Holo schließlich verschwand, verstummte auch der Singsang – so abrupt, als hätte man ihn von oben her abgestellt. Die Leute blinzelten und sahen einander leicht benommen an; sie wirkten fast so, als kämen sie direkt aus Drew Arlens Lichten Träumen.
    Bedächtig, ohne jede Hast, rückten zehntausend Menschen wieder ab vom Gefängnis und zurück zu ihren Zelten, die meilenweit verstreut standen. Das brauchte seine Zeit. Die Leute bewegten sich langsam und bedrückt voran, sie sprachen leise oder schwiegen überhaupt. Soweit mir bekannt ist, wurde niemand gestoßen oder verletzt. Vor gar nicht allzulanger Zeit hätte ich das nicht für möglich gehalten.
    Die Leute blieben lange wach, saßen um gemeinsame Lagerfeuer und unterhielten sich.
    Brad sagte: »Dieses Holo vorhin, das stammte nicht vom Gefängnis.«
    Das hatte ich auch nie angenommen, aber ich wollte seine Erklärung hören. »Wie kannst du das wissen?«
    Er lächelte geduldig – ein gerade eben flügge gewordener Techie, der seinen unwissenden Altvorderen aufklärte. Der kleine Furz. Was ich an Technik vergessen hatte, war mehr, als er bisher in seiner verspäteten, der Spritze zu verdankenden Liebesaffäre mit echtem Wissen gelernt hatte. Er war sechzehn. Dennoch hatte ich kein Recht auf abfällige Gefühle: ich hatte auch nicht bemerkt, wo das Holo entstanden war.
    »Laser-Holos brauchen einen Projektor«, sagte er. »Du weißt, diese schwachen Strahlenlinien, die man so komisch

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