Bettler 02 - Bettler und Sucher
Zeiten mal muß ich mich einfach aufmachen in den Wald. Früher hab ich für gewöhnlich keinem was gesagt davon, aber jetz’, wenn ich jetz’ geh’, dann sag ich’s Annie, un’ sie richtet mir ‘n bißchen was Frisches aus der Küche, Äpfel un’ Kartoffeln un’ SojSynth, wo noch nich’ zu fertigen Mahlzeiten zubereitet is’. Ich bleib sechs oder sieben Tage weg, ganz allein, bloß ich. Weg von allem: von den Holotänzern in der Cafeteria, von dem Musikgeplärre, von der Lagerhausausgabe, von den üblen Kerlen mit den Holzkeulen un’ auch von der ganzen Y-Energie. Da mach’ ich mir lieber ‘n Lagerfeuer. Gibt Leute in East Oleanta, die sin’ seit zwanzig Jahren nich’ rausgekommen aus der Stadt, außer mal mit der Gravbahn in den nächsten Ort. Der tiefe Wald könnte für die genausogut am Mond liegen. Ich für mein Teil denke, die fürchten sich wohl da draußen, vor sich selber.
Hatte meinen Aufbruch für den Morgen vorgehabt, nachdem die Küche in der Cafeteria ausfiel un’ wir mit Distriktsleiter Samuelson übers offizielle Terminal redeten. Aber so, wie’s jetz’ stand, konnte ich Annie un’ Lizzie nich’ ohne Essen alleinlassen, un’ außerdem wollte ich ganz gewiß nich’ irgendwohin gehen, wo tollwütige Waschbären rumrennen un’ der AufseherRob nich’ funktioniert.
Lizzie stand im Nachthemd neben meinem Sofa, ‘n hellrosa Fleck nach’m Aufwachen. »He, Billy, denkst du, die haben die Küche schon repariert?«
Annie kam aus ihrem Schlafzimmer un’ gähnte; hatte immer noch ihr PlastiTuch-Nachthemd an. »Laß Billy in Ruh’, du. Hast du Hunger?«
Lizzie nickte.
Ich setzte mich auf un’ hielt mir ‘n Arm über die Augen, weil die Sonne beim Fenster reinschien. »Hör mal, Annie. Ich hab mir was überlegt. Wenn die die Küche repariert haben, dann wär’s gut, wir würden soviel Essen nehmen, wie wir können, un’ es hier einlagern. Für ‘n Fall, daß wieder mal ‘n Schaden auftritt. Wir können doch jeden Tag soviel mitnehmen, wie wir für die Essenchips kriegen – Lizzie un’ du, ihr nutzt die Chips sowieso nie bis zum Limit aus un’ ich auch nich’ immer. Un’ dann noch rohe Sachen aus der Küche, Kartoffel un’ Äpfel un’ so was.«
Annie preßte die Lippen aufeinander. Is’ kein Morgenmensch, die Annie. Aber hier bei ihr aufzuwachen, das war so schön, daß ich glatt drauf vergessen hatte. Sie sagte: »In zwei, drei Tagen wären die Sachen alle faulig. Un’ ich, ich will nich’‘n Haufen halbverfaultes Zeug hier rumliegen haben. Is’ nich’ reinlich.«
»Na, dann schmeißen wir’s weg un’ holen neues!« Redete ganz sanft un’ freundlich mit ihr, weil Annie, die hat’s nich’ so gern, wenn die Dinge plötzlich nich’ mehr genauso laufen sollen wie immer schon.
»Billy, denkst du, die haben die Küche schon repariert?« fragte Lizzie dazwischen.
Ich sagte: »Kann ich nich’ sagen, Schätzchen. Wollen mal nachsehen. Zieh dir was an.«
»Die muß erstmal ins Bad gehen. Sie stinkt. Un’ ich auch. Gehst du mit uns hin, Billy?« sagte Annie.
»Klar.« Was dachte sie wohl, wofür so ‘n alter klappriger Gaul wie ich noch gut is’ gegen tollwütige Waschbären? Aber Annie, die hätt’ ich auch mitten durch die bösen Geister geführt, an die sie glaubt.
Lizzie sagte: »Billy, denkst du, die haben die Küche schon repariert?«
Waren keine Waschbären weit un’ breit bei den Bädern. Das Männerbad war leer bis auf Mister Keller. Der is’ so alt, der weiß wohl selber nich’ mal mehr, ob er auch ‘nen Vornamen hat. Un’ zwei kleine Jungs waren auch noch da, die hätten allein gar nich’ da sein dürfen, aber so waren sie nun mal da un’ spritzten und platschten, was das Zeug hielt. Denen zusehen, das machte den Morgen gleich viel fröhlicher.
Mister Keller sagte mir, daß die Cafeteriaküche schon repariert war. Annie un’ Lizzie waren sauber un’ rochen wie frische Beeren im Tau, als sie rauskamen, un’ wir gingen zusammen rüber, um zu frühstücken. Aber die Cafeteria war voll, nich’ bloß mit futternden Nutzern, nee, sondern mit Machern, die ‘n Holo von der Kongreßabgeordneten Janet Carol Land drehten.
Sie war es wirklich selber. Keine Aufnahme. Stand vorm Fließband, auf dem’s wie immer Eier, Speck, Frühstücksflocken und Brot aus SojSynth gab, außerdem frische GenMod-Erdbeeren. Ich für mein Teil mag keine GenMod-Erdbeeren nich’. Die halten sich vielleicht wochenlang frisch, schmecken aber nie wie die kleinen wilden
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