Bettler 02 - Bettler und Sucher
Sie Hilfe, Mister Washington.«
Ich machte ‘nen Schritt auf sie zu, direkt auf sie zu, un’ sie, sie stand auf. Schien sich nich’ zu fürchten, das Mädel, schaute mich bloß an, ohne zu lächeln. Nachdem ich den Waschbären gesehen hatte, dämmerte es mir, daß sie auch ‘ne Hülle hatte. Nich’ so hart wie die über dem Waschbären un’ vielleicht auch nich’ so weit weg vom Körper, eher wie ‘n durchsichtiger Handschuh. Deswegen konnte sie mit kurzen Hosen un’ dünnen Sandalen in den Wald gehen, und deswegen war sie nich’ zerbissen von Griebelmücken un’ deswegen hatte sie auch keine Angst vor mir.
Ich sagte: »Sie… Sie sin’ gewiß aus Eden, nich’ wahr? Is’ es wirklich da irgendwo, in diesem Wald, is’ es wirklich hier wo…?«
Da kriegte sie so ‘n komischen Ausdruck im Gesicht. Hatte keine Ahnung, ich, was er zu bedeuten hatte, un’ da fiel mir auf, daß ich wohl eher draufkommen würde, was ‘n tollwütiger Waschbär denkt als dieses Mädchen.
»Gehen Sie jetzt, Mister Washington. Ihr Freund braucht dringend Hilfe.« Ich spürte, da kam noch was. »Und bitte erzählen Sie den Menschen in der Stadt… so wenig wie nur irgendwie möglich.«
»Aber, Madam…«
»Chuuuchuuuuu«, stöhnte Doug, aber es klang nich’ so, als hätte er Schmerzen, klang eher nach ‘nem Traum.
Ich stolperte zurück nach East Oleanta, so schnell es nur ging, un’ bald dachte ich, hat eben der MedRob zwei Herzanfälle zu versorgen statt einen. Gleich hinter der Rollerrennbahn traf ich auf Jack Sawicki und Krystal Mandor, die alle beide völlig verschwitzt un’ abgekämpft in die Stadt zurücklatschten. Erzählte ihnen, daß der alte Kane schlappgemacht hatte. Mußte zweimal anfangen, weil ich so keuchte, daß sie kein Wort nich’ verstanden. Jack machte sich gleich auf die Beine, wollte sich nach der Sonne richten – is’ vielleicht der einzige gute Waldläufer außer mir in ganz East Oleanta. Krystal, die rannte um den MedRob un’ mehr Helfer. Un’ ich, ich hockte mich hin un’ sah zu, daß ich wieder zu Atem kam. Die Sonne schien heiß auf das offene Feld un’ blendete mich. Un’ ich konnte einfach keine Gemütsruhe nich’ finden.
Un’ später vielleicht auch nich’ mehr. Mir kam vor, als wär’ nach diesem Tag nichts mehr beim alten.
Der MedRob fand Doug Kane ganz leicht; der streicht ja auf seinen Gravsensoren übers Unterholz dahin, un’ er konnte Dougs un’ meine Spur in der Luft riechen. Vier Mann liefen dem MedRob hinterher, un’ die trugen dann Doug heim. Da atmete er schon leichter. Am Abend versammelte sich der ganze Ort in der Cafeteria. Alle tanzten un’ brüllten un’ stritten un’ machten ‘ne große Party. Keiner hatte auf ‘n Waschbären geschossen, aber Eddie Rollins schoß auf ‘n Reh, un’ Ben Radisson schoß auf Paulie Cenverno. Paulie hat’s nich’ schlimm erwischt, hatte bloß ‘n Kratzer aufm Arm, un’ der MedRob kümmerte sich gleich drum. Ich, ich ging lieber Doug Kane besuchen.
Doug, der erinnerte sich an kein Mädchen im Wald nich’. Er lag auf seinem PlastiSynth-Schlafpodest mitten in ‘nem Haufen Extrakissen zur Stütze, un’ seine Decke sah verziert aus wie die, wo Annie für ihr Sofa bestickt hat. Das ganze Aufhebens, was um ihn gemacht wurde, das gefiel ihm richtiggehend. Ich fragte ihn nach dem Mädel – ganz sachte, klarerweise; redete nich’ mal direkt davon, daß ‘n Mädchen im Wald gewesen war, sondern klopfte vorsichtig bei ihm an, um zu sehen, ob ihm was im Gedächtnis hängengeblieben war. Aber Doug, der erinnerte sich an rein gar nichts, nachdem er weggetreten war, un’ keiner von denen, die ihn heimschleppten, erwähnte was von ‘nem toten Waschbären in ‘ner harten Hülle.
Die schwarzhaarige Kleine mußte das Vieh wohl mit der ganzen Hülle mitgenommen haben.
Der einzige Mensch, dem ich was davon erzählte, war Annie, un’ da paßte ich genau auf, daß Lizzie nirgendwo in der Nähe war. Annie, die glaubte mir nich’. Am Anfang. Dann glaubte sie’s, aber bloß deshalb, weil sie sich an das großköpfige Mädchen in dem grünen Overall erinnerte, wo zwei Abende zuvor in der Cafeteria herumgestanden hatte. Das Mädchen im Wald hatte auch ‘n großen Kopf, un’ irgendwie hieß das für Annie, daß auch der Rest von meiner Geschichte stimmen mußte. Ich trug ihr auf, zu keinem was davon zu sagen. Un’ sie hielt sich dran, sagte auch zu mir nie mehr was davon, sagte, sie kriegte Gänsehaut, wenn sie sich vorstellte,
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