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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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sind.
    »Und wenn ich nein sage?« fragte ich.
    »Dann gibt’s kein Flugzeug«, sagte Kevin. Er sah mir nicht in die Augen. Ich merkte, er hatte das Gefühl, ihr das schuldig zu sein – es waren alte Verbindlichkeiten, für Geschehnisse aus einer Zeit, noch ehe ich geboren war. Ich merkte auch, daß sich an der Linie seines Unterkiefers ein Anflug von Doppelkinn gebildet hatte – der erste, noch kaum erkennbare Hinweis, daß die Konturen seines blendenden Äußeren nachzugeben begannen. Immerhin war er einhundertzehn Jahre alt. Flache, niedrige Formen glitten durch meinen Kopf, in der Farbe von mattem Silber. Kevin dachte nicht daran, seinen Entschluß zu ändern.
    Vor Huevos Verdes flog die Maschine Atlanta an, um dort etwas äußerst Geheimes und äußerst Technisches auszuladen, das mich nicht im entferntesten interessierte; und zuvor war es noch in Chicago gelandet, um Leisha an Bord zu nehmen. Nicht ein einziger Reporter war anwesend. Natürlich mußten sich irgendwo in der Nähe AEGS-Agenten herumtreiben, aber ich sah keinen von ihnen. Leisha hatte einen Aktenkoffer, Marke Rechtsanwalt, bei sich und ein grünes Handköfferchen. Ihr goldblondes Haar flatterte im frischen Wind, der vom Michigansee herüberwehte. Sie trug weiße Hosen, Sandalen und eine dünne gelbe Bluse. Ich starrte geradeaus an ihr vorbei.
    »Ich muß mit dir kommen, Drew«, sagte sie ohne die Spur einer Entschuldigung. Es war ihr ›kommen-wir-ohne-Umschweife-zur-Sache‹-Tonfall, der mir das Gefühl gab, plötzlich wieder zu dem kleinen Jungen zu werden, der ausgescholten wurde, weil er schon wieder von einer dieser teuren Macher-Schulen geflogen war, in die sie ihn geschickt hatte. Es waren Schulen, in denen kein Nutzer eine Chance hatte – zumindest hatte ich mir das damals eingeredet. »Ich liebe Miranda auch, das weißt du, und ich muß wissen, was du und sie und die anderen SuperS vorhaben. Denn wenn es das ist, was ich vermute…«
    Ein Hauch von Ärgerlichkeit hatte sich in ihre Stimme geschlichen. Vermutlich fand sie, sie hätte jedes Recht darauf, und sei es nur deshalb, weil man sie ausschloß von gewissen Informationen. Ich antwortete nicht.
    Miri erklärte mir einmal, daß es nur vier Fragen von Bedeutung gab, die man über einen Menschen stellen konnte: Wie verbringt er seine Zeit? Wie steht er zu dem, womit er seine Zeit verbringt? Was liebt er? Wie reagiert er auf Menschen, die er als über sich oder unter sich stehend empfindet?
    »Wenn du einem Menschen – auch unabsichtlich – das Gefühl gibst, minderwertiger zu sein als du«, hatte sie mit eindringlichen schwarzen Augen gesagt, »dann wird er sich in deiner Nähe nicht wohlfühlen. In einer solchen Situation werden manche Leute aggressiv. Andere versuchen, dich lächerlich zu machen, um dich so gewissermaßen ›zurechtzustutzen‹. Aber manche werden dich bewundern und sich bemühen, von dir zu lernen. Und wenn du Menschen Grund gibst, sich dir überlegen zu fühlen, dann wird der eine dich ignorieren, der andere dich auf verschiedenste Weise seine Macht spüren lassen – einfach deshalb, weil er die Möglichkeit dazu hat. Aber manche Menschen fühlen sich dadurch veranlaßt, dich zu schützen und dir zu helfen. Und all das trifft sowohl auf eine Clique von Jugendlichen zu wie auf eine Gruppe von Regierungen.«
    Ich hatte mich gefragt, wie sie zu ihrem Wissen über Cliquen von Jugendlichen gekommen war. Aber da ich sie bewunderte und lernen wollte, hatte ich nichts gesagt.
    »Ich möchte dich und Miranda nur beschützen, Drew«, sagte Leisha. »Und euch helfen, soweit ich kann.«
    Ich starrte zum Fenster hinaus, auf die blendenden Reflexe der Sonnenstrahlen auf den Tragflächen, bis die Formen hinter meinen Lidern diejenigen in meinem Kopf auslöschten.
     
    Das Flugzeug, das in Seattle so sorgfältig auf eine etwaige Kontamination durch den Duragem-Spalter überprüft worden war, mußte ihn in Atlanta eingefangen haben. Jedenfalls fing es über dem südlichen Georgia an zu bocken.
    Es war genau wie vor dem KingDome, nur daß wir in einer Höhe von zwanzigtausend Fuß waren und der Pilot diesmal nicht betete, fluchte und jammerte. Der Himmel war dunstigblau, und unter uns lagen Wolken, die den Blick auf den Boden verdeckten. Die Maschine krängte plötzlich nach links, ganz leicht nur, aber dennoch merkte ich, wie sich der Nacken des Piloten von hellbraun zu einem fleckigen Kastanienbraun färbte. Leisha sah von ihrem Aktenkoffer hoch. Dann schwenkte das Flugzeug

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