Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
wurde die ganze Welt schwarz.
     
    Es war ein AEGS-Agent. Als ich wieder zu mir kam, standen drei von der Sorte im Kreis um mich herum, wie der Ring aus Ärzten an meinem Krankenbett vor Jahrzehnten, als ich zum Krüppel wurde. Ich lag auf dem Rücken auf einem Fleckchen relativ trockenen, schwammigen Boden am Rand des flachen Sees. Leisha saß in einiger Entfernung an einen Sauerapfelbaum gelehnt, die Stirn auf den Knien. Auf der anderen Seite des Sumpfes brannte Kevin Bakers Flieger aus. In dicken Wolken stieg der Qualm daraus hoch.
    »Leisha?« hörte ich mich krächzen. Meine Stimme klang so fremd, wie alles rundum aussah. Nur war es nicht fremd. Ich erkannte die drückende, schwüle Luft wieder, das Surren der Insekten, die schaumbedeckten Wasserlöcher und die wachsweißen falschen Orchideen. Und über allem hingen die grauen, tropfenden Bärte von Spanischem Moos. Ich hatte meine Kindheit im Herzen von Louisiana verbracht. Dies war Georgia – mußte Georgia sein – aber die Sumpflandschaften hier wie dort glichen einander sehr. Ich war der Fremde hier.
    »Miss Camden wird es gleich wieder gutgehen«, antwortete einer der drei Agenten. »Vermutlich eine leichte Gehirnerschütterung. Wir bekommen gleich Hilfe. Wir sind von der AEGS, Mister Arlen. Bitte bleiben Sie ruhig liegen. Ihr Bein ist gebrochen.«
    Schon wieder. Aber diesmal fühlte ich keinen Schmerz. Ich hatte keine Nerven mehr, um Schmerz zu fühlen. Als ich das Kinn hob, spürte ich, wie sich meine Bauchmuskeln anspannten. Mein linkes Bein lag in einem scharfen, unnatürlichen Winkel da. Ich ließ das Kinn wieder sinken.
    Die Formen, die mir durch den Kopf glitten, waren außen grau und unklar, und stachlig im Innern. Sie hatten eine Stimme: Kannst rein gar nichts richtig machen, wie, Junge? Was glaubst du denn, daß du bist? ‘n gottverdammter Macher?
    Laut und deutlich wie ein kleiner Junge sagte ich: »Eine Schlange hat mich in die Wange gebissen.«
    Ein anderer Mann beugte sich über mich, kniff die Augen zusammen und betrachtete mein Gesicht. Aber ich wußte, es war zu dreckverschmiert, um etwas zu erkennen. »Eine Ärztin ist schon unterwegs hierher«, sagte er nicht unfreundlich. »Wir wollen abwarten, bis sie hier ist, bevor wir Sie bewegen. Liegen Sie einfach still und machen Sie sich keine Gedanken.«
    Keine Gedanken. Keine Träume. Aber ich war der Lichte Träumer! Der war ich, der mußte ich sein!
    Hinter mir sagte Leisha mit heiserer Stimme: »Sind wir verhaftet? Wie lautet die Beschuldigung?«
    »Nein, natürlich nicht, Miss Camden. Wir freuen uns, Ihnen behilflich sein zu können«, sagte der Mann, der sich meine Wange angesehen hatte. Die anderen beiden standen mit ausdruckslosen Gesichtern daneben, und einer von ihnen kniff ein Auge halb zu. Man kann Verachtung mit dem Zucken eines Lides ausdrücken: Leisha und ich, wir verkehrten mit Huevos Verdes. Mit Genmanipulatoren. Mit Zerstörern des menschlichen Erbgutes.
    Ich sah Carmela Clemente-Rice neben dem Gitterwerk vor meinem inneren Auge stehen, eine klare, kühle Gestalt, die sanft vibrierte.
    »Sie sind tatsächlich von der Aufsichtsbehörde für die Einhaltung genetischer Standards«, sagte Leisha. Es war keine Frage. Aber sie war Rechtsanwältin: sie erwartete eine Antwort.
    »Ja, Madam. Agent Thackeray.«
    »Mister Arlen und ich sind dankbar für Ihre Hilfe. Aber mit welchem Recht…?«
    Ich erfuhr nie, welchen juristischen Punkt Leisha klären wollte.
    Aus dem verfilzten Gestrüpp hinter den Bäumen stürzten in Lumpen gekleidete Männer hervor; sie schienen aus dem sumpfigen Boden aufgetaucht zu sein: in einer Sekunde nichts, in der nächsten waren sie da. Sie brüllten und krächzten und grölten. Agent Thackeray und seinen beiden verächtlich dreinsehenden Assistenten blieb keine Zeit, die Waffen zu ziehen. Aus meiner Perspektive – flach auf der Erde liegend – sah es so aus, als würden die zerlumpten Männer ihre Pistolen heben und sie aus allernächster Nähe abfeuern. Thackeray und die beiden anderen gingen zu Boden und blieben zuckend liegen. Ich hörte jemanden sagen: »Teufel, jaaa! Da ist ja so eine Perversität! Die da ist Leisha Camden!« Und dann folgten zwei Pistolenschüsse: einmal, zweimal. Beim erstenmal schrie Leisha auf.
    Ich verdrehte den Kopf nach ihr. Sie saß immer noch mit dem Rücken an den Sauerapfelbaum gelehnt, aber jetzt hing ihr Oberkörper vornüber – anmutig, als wäre sie eingeschlafen. Auf ihrer Stirn befanden sich zwei rote Flecken,

Weitere Kostenlose Bücher