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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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einer unter dem anderen; im oberen klebte eine blonde Haarsträhne, die irgendwie dem allgemeinen Matsch entgangen war. Ich hörte ein langes, leises Stöhnen und dachte: »Sie lebt!« – der Gedanke eine verzweifelte helle Blase –, bis ich merkte, daß das Stöhnen von mir selbst stammte.
    Der Mann, der »Teufel, jaaa!« gesagt hatte, beugte sich über mich. Sein Atem blies mir ins Gesicht, und ich roch Minze und Tabak darin. »Nur keine Sorge, Mister Arlen. Wir wissen, daß Sie keine solche Perversität gegen die Natur sind! Sie sind bei uns so sicher wie in Abrahams Schoß.«
    »Jimmy!« rief eine Frau mit schriller Stimme. »Da kommen sie!«
    »Und seid ihr denn nicht ohnedies alle empfangsbereit, Abigail?« sagte Jimmy mit einer leisen Mahnung in der Stimme.
    Ich versuchte, zu Leisha zu kriechen. Sie war tot.
    Leisha war tot!
    Das Summen eines Flugzeuges näherte sich. Das Notarztteam. Sie würden Leisha helfen. Leisha war aber tot! Aber sie war auch eine Schlaflose. Und Schlaflose starben nie! Sie lebten immer weiter und weiter! Kevin Baker war hundertzehn! Leisha konnte nicht tot sein…
    Die Frau mit Namen Abigail machte einen Schritt vom trockenen Boden weg in den Morast. Sie trug hüfthohe Wasserstiefel, abgerissene Hosen und eine ebensolche Bluse, und auf der Schulter einen Raketenwerfer – ein veraltetes Modell, aber blitzblank funkelnd von all der Spucke und den Putzlappen. Das Ambulanzflugzeug faltete die Flügel für eine Grav-Landung, und Abigail zielte, feuerte und blies es als zweite lodernde Fackel in den Sumpf.
    »Okay«, sagte Jimmy fröhlich. »Das wär’s. Los, Männer, hauen wir ab, die werden jeden Moment hier sein. Mister Arlen, tut mir leid, wenn’s ein bißchen rumpelig für Sie wird, Sir.«
    »Nein! Ich kann Leisha nicht alleinlassen!« Ich wußte nicht, was ich redete. Ich wußte nicht…
    »Aber klar können Sie«, sagte Jimmy. »Toter kann sie nicht werden. Und Sie sind sowieso keiner von ihrer Sorte. Sie gehören jetzt zu James Francis Marion Hubbley. Campbell? Wo steckst du denn? Trag ihn!«
    »Nein! Leisha! Leisha!«
    »Nehmen Sie sich doch ein bißchen zusammen, Menschenskind! Sie sind doch kein Dreikäsehoch mehr, der nach seiner Mami plärrt!«
    Ein riesenhafter Mann, bestimmt über zwei Meter groß, hob mich hoch und schwang mich über seine Schulter. Ich spürte keinen Schmerz in meinem Bein, aber in dem Moment, in dem mein Körper auf seinem auftraf, zuckte rotes Feuer durch mein Rückgrat bis zum Nacken, und ich schrie auf. Das Feuer erfüllte mein Inneres, und das Letzte, was ich von Leisha Camden sah, war ihre anmutige Gestalt, die an dem Sauerapfelbaum lehnte und eingehüllt war in das rote Feuer und so aussah, als wäre sie gerade eingeschlafen.
     
    Ich erwachte in einem kleinen fensterlosen Raum mit glatten Wänden. Zu glatt, diese Wände – keine Nanoabweichung vom Glatten, Senkrechten, Makellosen. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, daß ich das überhaupt bemerkt hatte, denn mein Hirn war erfüllt von Schmerz, der in Wirbeln, Geysiren und Flüssen aus heißer Lava in der Farbe der beiden Flecken auf Leishas Stirn in mir hochstieg.
    Sie war wirklich tot. Wirklich tot.
    Ich schloß die Augen. Die heiße Lava war immer noch da. Ich schlug mit den Fäusten auf den Boden und verfluchte meinen nutzlosen Körper. Hätte ich mich nur bewegen können! Hätte ich doch bloß mich selbst zwischen sie und die zerlumpten Pistolenmänner werfen können…!
    Aber nicht einmal die geschulten AEGS-Agenten waren in der Lage gewesen, sie zu schützen. Oder sich selbst. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, was mir peinlich war.
    Die Lava hatte das aufgerollte Gitterwerk in meinem Hirn unter sich begraben, so wie es mich begrub. Leisha…!
    »Also, Schluß jetzt damit, mein guter Junge! Versuchen Sie doch, ein klein wenig Würde zu bewahren! Keine Frau auf der großen weiten Welt ist es wert, soviel Wind um sie zu machen!«
    Es war eine freundliche Stimme. Ich öffnete die Augen, und Haß verdrängte die glühendheiße Lava. Ich war froh darüber. Diese Form würde mich nicht unter sich begraben! Ich sah in das besorgte Gesicht von James Francis Marion Hubbley, das sich über mich beugte, ließ die kalten, kompakten Formen durch mich hindurchgleiten und wußte im selben Moment, daß ich am Leben und auf dem Posten bleiben würde, daß ich mich ab nun völlig in der Hand haben würde, weil ich sonst nicht in der Lage sein mochte, ihn zu töten. Und ich wußte, ich

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