Bettler 02 - Bettler und Sucher
würde ihn töten, auch wenn das hieß, daß sein Gesicht das letzte sein sollte, das ich im Leben sah.
»Na, schon viel besser«, meinte Hubbley jovial und setzte sich auf einen Baumstumpf; er legte die Hände auf die Knie und nickte mir aufmunternd zu.
Es war tatsächlich ein Baumstumpf. In dieser Sekunde nahm ich zum erstenmal mit einem klaren, bewußten Blick die Wände rundum wahr, und da wurde mir klar, an was für einem Ort ich mich befand. Die gleiche Art von Wänden hatte ich bei Carmela Clemente-Rice gesehen und auf Huevos Verdes. Dies war ein unterirdischer Bunker, ausgehöhlt von den winzigen, präzise arbeitenden Maschinen der Nanotechnik und von anderen winzigen, präzise arbeitenden Maschinen mit einer Metallegierung überzogen. Sich ins Erdreich hineinzufressen und eine dünne Schicht Metall aufzutragen war keine schwierige Aufgabe, hatte Miri mir einst erklärt. Jeder kompetente Nanotechniker konnte nichtorganische Mechanismen schaffen, die dazu imstande waren. Es gab eine ganze Reihe Firmen, die das laufend machten, ungeachtet der staatlichen Vorschriften. Nur selbstreproduzierende Nanotechnik auf organischer Basis war schwierig. Jedermann konnte ein Loch buddeln, aber nur Huevos Verdes konnte eine Insel errichten.
Doch Hubbley sah nicht aus wie ein Wissenschafter. Er beugte sich vor und lächelte mir zu. Seine Zähne waren verfault. Graue Haarbüschel hingen zu beiden Seiten eines langen, knochigen Gesichts mit sonnenverbrannter Haut und hellblauen Augen herab. Eine sonderbare Beule entstellte die rechte Seite seines Halses. Er konnte vierzig sein oder sechzig; er trug keinen Overall, sondern war in die Überreste von normaler, verwaschen brauner Kleidung gehüllt, aber seine Stiefel, in tadellosem Zustand und hüfthoch, stammten fast sicher aus irgendeinem Lagerhaus. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen, aber ich erkannte ihn. Er gehörte in den rückständigen, provinziellen Süden.
Im größten Teil des Landes hatten die von Machern unterhaltenen Distriktsleiter-Soundso-Lagerhäuser oder Kongreßabgeordneter-Anderswie-Cafeterias jegliches unabhängige Unternehmertun abgewürgt. Die Nutzer konnten alles gratis bekommen, was sie brauchten – warum also dafür zahlen? Doch im ländlichen Süden und gelegentlich auch im Westen fanden sich immer noch hart rackernde Privatbetriebe – schäbige Hotels oder Hühnerfarmen oder Hurenhäuser –, die im Lauf von vierzig Jahren immer armseliger geworden waren, aber weitermachten, weil, verdammt noch mal, die da oben uns nich’ vorschreiben können, wie, zum Geier, wir unser Leben führen sollen! Solchen Leuten machte es nicht viel aus, arm zu sein. Sie waren daran gewöhnt. Und es war besser, als in der Hand von Machern zu sein. So nahmen sie eben Haushaltswaren oder Hühner oder Bohnen oder anderes in Zahlung; sie verachteten Overalls und MedRobs und Schul-Software. Und wo immer sich diese zähen, kümmerlichen Kleinunternehmen gehalten hatten, hielten sich auch Kriminelle wie Hubbley. Stehlen war auch gegen die Vorschriften von ›denen da oben‹ und somit etwas, auf das man stolz sein konnte.
Hubbley und seine Bande holten sich das, was sie unbedingt brauchten, aus Lagerhäusern, Wohnungen, ja sogar Gravzügen. Sie jagten in den undurchdringlichen Mooren, angelten und pflanzten kleine Mengen dies und das an. Irgendwo hatten sie eine Schnapsbrennerei. Oh, ich kannte Jimmy Hubbley sehr gut. Ich kannte ihn schon mein ganzes Leben lang, noch aus der Zeit, bevor Leisha mich aufgenommen hatte. Mein Papa war einer von den Jimmy Hubbleys – doch ohne die Konsequenz, auszubrechen aus einem System, das er verfluchte bis zu dem Tag, an dem ihn Gratiswhiskey von denen da oben – nicht einmal Selbstgebrannter – ins Grab brachte.
Und das hier war der Mann, der Leisha Camden getötet hatte.
Den Formen des Hasses wohnt eine starke Energie inne, ähnlich wie den RoboMessern.
»Das ist ein illegales GenMod-Labor«, stellte ich fest.
Hubbleys Gesicht zersplitterte zu einem gewaltigen Grinsen. »Da haben Sie wohl recht, Sir! Sie sind ein heller Kopf, ehrlich. Aber das hier ist bloß ein winzigkleiner Außenposten, wo Abigail nach ihrer Ausrüstung sehen kann und wo wir unsere Reserven lagern. Wird nicht mehr von den Gen-Perverslingen benutzt. Hier sind Sie im Francis-Marion-Freiheits-Stützpunkt zu Besuch, Mister Arlen. Und darf ich hinzufügen, daß wir alle mächtig geehrt sind, Sie bei uns zu haben. Wir kennen ein jedes Ihrer Stücke. Sie sind wahrhaftig
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