Bettler 03 - Bettlers Ritt
Wand war leer.
»Komm, wir gehen, Lizzie«, sagte Doktor Aranow müde. »Es wird nicht unangenehm, ich verspreche es. Ein paar Verhaltensaufzeichnungen, ein Hirnscan, und dann legen sie dich kurz schlafen, um Gewebeproben zu nehmen. Wird nicht weh tun.«
»Wo ist Shockey?«
»Im Wagen. Er wollte nicht aussteigen, nicht einmal mit einem Beruhigungspflaster auf dem Hals. Hol den Kleinen, und wir gehen.«
»Geht es Billy und meiner Mutter gut?«
»Ja. Nein. Sie haben sich nicht verändert, seit du sie gesehen hast.«
»Wie haben Sie Shockey dazu gebracht, mit Ihnen zu kommen?« erkundigte sich Vicki.
»War nicht einfach. Er hat geweint.«
Lizzie versuchte, sich Shockey vorzustellen, wenn er weinte. Den großen, harten Shockey mit dem aufsässigen Blick. »Hat niemand probiert, sich Ihnen in den Weg zu stellen?«
»Doch. Ein bißchen. Billy, zusammen mit ein paar anderen. Aber ich habe mich einfach ganz sonderbar benommen, und dann fürchteten sich alle noch mehr und wichen zurück. Also griff ich mir Shockey, gab ihm das Beruhigungsmittel und zog ihn hinter mir her. Während er plärrte.« Doktor Aranow fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Lizzie hatte nicht gewußt, daß ein Macher so geschafft aussehen konnte und so… nun ja, aus dem Gleichgewicht.
Vicki sagte – mit sanfterer Stimme, als Lizzie sie je zu irgend jemandem hatte sprechen hören, wenn man von ihr selbst und Dirk absah: »Jackson, Sie sollten schlafen.«
Er lachte kurz auf. »Ach ja. Das würde alle Probleme lösen. Komm, Lizzie, Thurmond Rogers wartet auf uns.«
»Erst wenn ich gebadet habe. Und Dirk auch«, sagte Lizzie, noch ehe es ihr bewußt wurde.
»Du kannst jetzt nicht…«
»O doch, ich kann. Und ich werde.«
Vicki lächelte ihr zu. Lizzie brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, warum. Vicki dachte, sie wollte Doktor Aranow Zeit für das Schläfchen lassen, das er so dringend brauchte. Denkste! Sie wollte ein Bad, bevor sie Thurmond Rogers und seiner großkotzigen Firma entgegentrat! Für sich und ihren Dirk. Vicki konnte dort auftauchen und aussehen wie ein morsches Stück Holz aus dem Wald, aber das war etwas anderes. Vicki war eine Macherin.
Plötzlich schien es Lizzie, als hätte sie noch nie zuvor wirklich erkannt, was das hieß.
»Gut, gut, gut!« sagte Doktor Aranow. »Nimm ein Bad. Aber bitte beeil dich!«
»Mach ich«, versprach Lizzie. Das würde sie auch tun, denn sie machte sich wegen Annie und Billy ebenso große Sorgen wie alle anderen. Sie würde sich und Dirk so rasch wie möglich waschen.
Und sich vielleicht ein wenig in dem Teil des Systems umsehen, das sich im Bad befand.
INTERMEZZO
SENDEDATUM: 3. April 2121
GEHT AN: Mondbasis Selene
VIA: Bodenstation Chicago 2, GEO-Satellit 342 [alte Zulassung] (USA)
NACHRICHT – ART: nicht verschlüsselt
NACHRICHT – KLASSE: Klasse D, allgemeiner Zugriff laut Kongreßverordnung 4892-18 vom Mai 2118
AUSGEHEND VON: Amerikanische Ärztevereinigung
NACHRICHT LAUTET:
Offener Brief an Miranda Sharifi:
Wir, die Mitglieder der Amerikanischen Ärztevereinigung, ersuchen Sie hiermit erneut, als eine humanitäre Geste den Völkern der Erde das von Ihnen entwickelte Heilmittel ›Zellreiniger‹ zur Verfügung zu stellen. Als Ärzte müssen wir Tag für Tag zusehen, welches Leid und welche soziale Zerrüttung durch das abrupte Fehlen dieses Pharmazeutikums hervorgerufen werden. Mit gutem Gewissen kann man es eine Tragödie nennen. Die langfristigen Folgen für unser Land – welches auch das Ihre ist – sind im höchsten Maße besorgniserregend.
Bitte überdenken Sie Ihren Entschluß, uns das Mittel zur Linderung dieses enormen Leides vorzuenthalten!
Margaret Ruth Streibel
Präsidentin
Amerikanische Ärztevereinigung
Ryan Arthur Anderson
Vizepräsident
Theodore George Milgate
Sekretär
sowie die 114.822 ordentlichen Mitglieder der Amerikanischen Ärztevereinigung
BESTÄTIGUNG: keine
13
Das ferngesteuerte Fluggerät kam dicht über den Bäumen näher, nicht schneller als ein Vogel und mit vergleichbarer Masse. Der winzige Camcorder auf seiner Vorderseite zeigte die Enklave, die nach und nach größer wurde. Jennifer Sharifi, allein in ihrem Büro auf Sanctuary, beugte sich näher zum Schirm.
Sie hatte die Wand, durch die man in die Tiefen des Weltraums sah, verdunkelt. In diesem Augenblick wollte sie keine Konkurrenz von den Sternen. Ebensowenig wie irgendeine andere Art von Gesellschaft, nicht einmal die
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