Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
bevor es dunkel oder sie selbst zu ängstlich wurde.
    Sie wußte genau, wo sie sich befand. Obwohl sie es nicht wagte, ihr Terminal zu benutzen und aktiv im Netz herumzuwerken, was auf ihre Spur führen mochte, konnte sie es doch einsetzen, um sich auf die Informationen – inklusive das detaillierte Kartenmaterial – in ihrer Kristallbibliothek Zugriff zu verschaffen. Danach war dies hier also der Tech-Verschiebebahnhof von New Jersey der Senator-Thomas-James-Corbett-Gravbahn. Klarerweise hatte die Gravbahn schon während der Umstellungs -Kriege den Betrieb eingestellt. Aber die mit Energieschilden geschützten Gebäude standen immer noch da, wahrscheinlich komplett mit allen Zügen in ihrem Innern, und die Maglev-Gleise selbst konnte nichts zerstören. Ihre glänzende Doppelspur aus einem Material, das Lizzie nicht identifizieren konnte, hatte sie vom Distrikt Willoughby bis hierher begleitet. Und die Spur lief weiter über die Brücke, die den Hudson-River querte, bis nach Manhattan; dort würde sie – wie Lizzies Landkarten ihr verrieten – in nördlicher Richtung zum Central-Park weiterführen und von da direkt zu einem Eingangstor der Enklave Manhattan-Ost.
    Und was dann?
    Erst einmal hinkommen.
    Lizzie starrte die Brücke an und dann den Himmel. Etwa drei Stunden bis Sonnenuntergang. Sie konnte die Brücke im Schutz der Dunkelheit überqueren und sich auf der anderen Seite verstecken. Die Trägerbrücke selbst bot nur wenig Deckung. Sie war schmal, nicht breiter als drei Meter, und hatte keine sichtbaren Vorsprünge oder Aufbauten. Wieso war sie nicht längst eingestürzt? Vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem die Gleise der Gravbahn weiterexistierten. Aber Lizzie interessierten weder Physik noch Technik – nur Computer. Dennoch sollte sie möglichst viele Informationen einholen, ehe sie die Brücke querte…
    Hell schimmerte der Hudson in der Sonne. Dicht am Fluß, halb verborgen hinter einem Erddamm, fand Lizzie einen mit frischem Unkraut bewachsenen Flecken Erdreich. Dort stellte sie den Schild ab und trank vom Wasser des Hudson, ehe sie sich ihrer Kleider entledigte. Während sie flach dalag, um Nahrung aufzunehmen, hob sie alle paar Sekunden den Kopf und überzeugte sich, daß niemand in der Nähe war. Die Sonnenstrahlen fühlten sich gut an auf ihrer nackten Haut, aber sie konnte es sich nicht leisten, sie so richtig zu genießen. Sobald ihre umgestellte Körperchemie ihr Sattheit signalisierte, sprang sie auf, zog sich an und schaltete den Personenschild wieder ein. Dann begann sie mit der Arbeit am Computer. Als die Sonne unterging, wußte sie alles, was ihre Kristallbibliothek über die Gouverneur-Samantha-Deborah-Velez-Gravbahn-Gedächtnisbrücke enthielt.
    An der Westseite der Brücke, im tiefen Schatten eines Gebäudes, blieb Lizzie stehen und horchte angestrengt ins Nichts. Eine Stunde zuvor hatte sie gehört, wie Menschen die Brücke betraten. Doch nun war niemand zu sehen, und alles, was sie vernahm, waren die Schreie kreisender Möwen und das leise Plätschern der Wellen am Ufer. Sie ließ sich auf Hände und Knie fallen, um eine so unauffällige Silhouette wie möglich zu bieten, und begann über die Brücke zu kriechen.
    Die Brücke war 2,369 Kilometer lang.
    Es wurde rascher finster, als Lizzie erwartet hatte. Die Dunkelheit bot natürlich eine gute Deckung, aber Lizzie hatte Angst, über die unbeleuchtete Brücke zu kriechen. Nicht vor dem Hinunterfallen, sondern vor… was? Sie hatte eben Angst. Vor allem und jedem.
    Nein, hatte sie nicht! Sie war Lizzie Francy, die beste Datenfischerin im ganzen Land! Die einzige Nutzerin, die je auch nur den Versuch gemacht hatte, die politische Macht von den Machern zurückzufordern! Sie fürchtete sich nicht! Nur Menschen wie ihre Mutter fürchteten sich vor allem – und das war schon vor dem Neuropharm so gewesen.
    Bleib lieber hier, Kind, wo du hingehörst. Wiederum Annies Stimme. O Gott, würde sie froh sein, wenn sie dereinst zu alt sein würde, um die Stimme ihrer Mutter im Kopf zu hören! Wie alt war das? Doch nicht am Ende dreißig oder mehr?
    Und dann hörte sie etwas anderes: Menschen, die von Manhattan aus über die Brücke näherkamen.
    Lizzie kroch noch rascher weiter. Jetzt konnte sie schon ihr Licht sehen, eine helle Y-Fackel, die in der Ferne auf und ab tanzte. Wie weit entfernt? Der Wind mußte in Lizzies Richtung wehen, denn sie hörte das Gelächter. Das Gelächter von Männerstimmen.
    Gleich sollte er kommen, gleich! Es war

Weitere Kostenlose Bücher