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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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keine andere Wahl. Dies war der Weg zu Doktor Aranow.
    Eingehüllt in ihren Personenschild, verkroch sich Lizzie bis zum Morgen unter einem dichten Gebüsch. Sie war ziemlich sicher, daß man sie nicht sehen konnte, dennoch konnte sie lange nicht einschlafen.
     
    Bei Tageslicht betrachtet war New York noch schlimmer als erwartet.
    Nie zuvor hatte Lizzie etwas derartiges gesehen. Doch, hatte sie: in diesen Geschichts-Holos der Unterrichts-Software, auf deren Studium Vicki bestanden hatte – bevor Lizzie alt genug war, um sich dagegen zu wehren und nur jene Software durchzunehmen, die sie interessierte. In den Holos waren Orte wie dieser zu sehen: Haufen verbrannten Schutts, aus dem Unkraut wucherte; Straßen, die von dem Schutt so blockiert wurden, daß man nicht mehr sagen konnte, in welcher Richtung sie einst verlaufen waren; dazwischen verbogene Metallstücke, zusammengehalten von schwarzen, glasigen Stellen, wo irgendeine Waffe alles glattgeschmolzen hatte. Lizzie war immer der Meinung gewesen, die Inhalte der Holos wären Kunstprodukte wie jene der Literatur-Software, die Vicki ihr vorgesetzt hatte. Und wenn schon nicht komplette Kunstprodukte, so doch computerverstärkt.
    Aber diese zusammengefallene Stadt war real!
    Vorsichtig bewegte sie sich durch die Ruinen voran und lauschte in die Stille. Ein paarmal hörte sie Stimmen, und da versteckte sie sich augenblicklich, bis die Männer außer Hörweite waren. Sie bekam sie nie zu Gesicht, und darüber war sie froh.
    In manchen Ruinen wohnten Menschen. Sie sah eine Frau, die Wasser vom Fluß schleppte, einen Mann, der ein Seil flocht, und ein umgestelltes Kind, das einem Ball nachlief. Und dann ein nicht umgestelltes Baby, das von einem kleinen, etwa zehnjährigen Mädchen getragen wurde.
    Das umgestellte Mädchen war schmutzig und halbnackt; ihr Haar war verfilzt und voller Dreck, aber sie strotzte vor Gesundheit, wie sie so über die Schutthalden kletterte, das Baby an die Brust gedrückt. Das Kleine war etwa ein Jahr alt – so wie Sharons Callie. Doch die Beinchen dieses Babies waren runzelig und sahen verkümmert aus, sein Bauch war aufgedunsen, die Ärmchen erinnerten an dürre Äste. Aus einer offenen Wunde an einem Bein sickerte Eiter. Als das Mädchen das Baby hinsetzen wollte, wimmerte es und hob die Arme hoch, die jedoch sofort wieder kraftlos herabfielen.
    So würden wohl bald alle Babies aussehen, wenn Miranda Sharifi keine Umstellungs -Spritzen mehr herstellte und Sanctuary das Neuropharm weiter verbreitete. Genau so.
    Das Mädchen ließ das Kleine los, und es fiel augenblicklich um. Seine Muskeln hatten keine Kraft.
    Lizzie bewegte sich vorsichtig weg aus der Nähe der Kinder. Am besten wäre es wohl gewesen, abzuwarten, bis die beiden wieder verschwanden, aber Lizzie hielt das Warten nicht aus. Immer auf der Hut setzte sie ihren Weg durch Manhattan fort und hielt sich stets an die Gleise der Gravbahn, auch wenn sie sie kurzfristig aus den Augen verlor, als sie nach Norden ausweichen mußte, um eine Menschenansammlung zu umgehen. Im Süden, vor und hinter sich konnte sie die Türme von Manhattan-West und Manhattan-Ost sehen, und dazwischen die riesige Fläche des Central Parks. Die Türme glänzten im Sonnenschein, und auf den Terrassen unter den Y-Schilden der Enklaven blühten GenMod-Blumen in strahlend bunten Klecksen. Luftwagen flogen durch unsichtbare Tore hoch oben in der unsichtbaren Kuppel ein und aus.
    Am Nachmittag kam Lizzie beim Nordtor der Enklave Manhattan-Ost an.
    Die Enklave war umgeben von einer Art Ruinendorf innerhalb einer Ruinenstadt. Von den Gebäuden, von denen Lizzie annahm, daß es sich dabei um die ursprünglichen SchaumStein-Häuser handelte, war die Hälfte intakt und leer und immer noch umgeben von undurchdringlichen Schilden. Die andere Hälfte war nichts als Schutt, niedergebrannt, zerbombt oder in Trümmer gehackt durch schiere brutale Gewalt. Rundum und dazwischen hatten die Menschen Hütten aus Brettern, SchaumStein-Klumpen, Plastikplanen, ja sogar kaputten Robs gebaut. Nun, überall behalfen sich die Stämme mit dem, was sie unterwegs fanden, aber hier waren selbst diese armseligen Buden halb zerfallen – manche geflickt, manche nicht –, fast so, als hätte ein zweiter Umstellungs -Krieg stattgefunden. Und ein dritter und ein vierter.
    Lizzie sah keine Menschen, aber sie wußte, es waren welche da. Ein erloschenes Lagerfeuer, der Haufen Asche unberührt. Ein ausgetretener Pfad ohne jeglichen Bewuchs. Ein

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