Bettler 03 - Bettlers Ritt
Lasersägen. Außerdem würde eine Lasersäge beim äußeren Sicherheitsschild keine Hilfe sein; nur eine Atomwaffe konnte einen solchen Y-Schild aufbrechen.
Die Lichter in der Fabrik blieben die ganze Nacht an. Vermutlich waren sie darauf programmiert, hell zu bleiben, wann immer das Gebäude die Anwesenheit von Menschen erfaßte. In ihrem weichen Schein waren die Robs geschäftig am Werk und machten alles falsch. Dumme Maschinen.
Aber nicht so dumm wie sie, Lizzie…
Solange sie sich zurückerinnern konnte, hatte es ihrem Gefühl nach zwei Lizzies gegeben. Eine davon hatte nichts als Fragen gestellt, war damit ihrer Mutter und Billy und später Vicki auf die Nerven gegangen; hatte sich in kürzester Zeit durch die jämmerliche Schulsoftware durchgearbeitet und Robs auseinandergenommen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot, und zugehört, zugehört, zugehört. Es gab so unendlich viel, was sie wissen wollte – und vor Vicki und der Umstellung keine Möglichkeit, Antworten zu bekommen. Doch als Vicki Turner die Enklaven verlassen hatte, um fortan bei den Nutzern zu leben, und Lizzie ein ordentliches Terminal und eine Kristallbibliothek geschenkt hatte, da gab es plötzlich die Voraussetzungen, an alle Antworten heranzukommen. Lizzie – eine der beiden Lizzies – war beinahe hysterisch in ihrem Drang, jede wache Minute vor dem Terminal zu sitzen und die verlorene Zeit aufzuholen. Und als es soweit war – als sie gelernt hatte, das Netz zu benutzen und zu beherrschen und schließlich darin zu fischen nach jeder wie immer gearteten Information, an die sie herankommen wollte – als sie all das gelernt hatte, überkam sie ein Gefühl, als wäre sie betrunken. Trunken von all der Macht, trunken von Tatendrang. Sie hatte den WebRob für den Stamm entworfen und in den Computern von Lagerhäusern ohne Sicherheitsschild nach allen notwendigen Bestandteilen gefischt; dann hatte sie die aufgelassene Fabrik als Winterquartier für den Stamm lokalisiert; und dann hatte sie sich von einem Jungen schwängern lassen, den sie nie wieder sehen würde und wollte. So wie sie zu dem Entschluß gekommen war, daß sie einen WebRob bauen sollte, war Lizzie Francy zu dem Entschluß gekommen, daß sie ein Baby haben sollte. Und so verschaffte sie sich eines. Sie konnte das tun, sie konnte alles tun, und keiner sollte je was anderes behaupten, keiner!
Aber in jeder Sekunde gab es darunter diese andere Lizzie, die niemand sah. Die sich immerzu fürchtete. Die wußte, daß sie früher oder später Murks bauen würde – es war nur eine Frage der Zeit. Und dann würden alle wissen, daß sie nur eine Angeberin war, daß sie nichts richtig machen konnte und daß sie nicht dazugehörte. Diese zweite Lizzie hatte Angst, bei angesehenen Firmen wie TenTech auf Datenfang zu gehen, hatte Angst davor, daß sie unfähig sein könnte, sich gut genug um ihr Baby zu kümmern, hatte entsetzliche Angst, daß Vicki, Billy und ihre Mutter plötzlich weggehen und sie allein lassen könnten. Allein mit einem Kind. Was zwei gleichaltrige Mädchen im Stamm, Tasha und Sharon, bestens schafften, was aber Lizzie Francy nicht schaffen würde. Weil Lizzie – diese andere Lizzie – sich nur immer zusammenrollen und aufhören wollte, diejenige zu sein, an die sich der ganze Stamm um Antworten wandte, die sie aus einem Netz stahl, das letzten Endes doch nicht ihr gehörte. Es gehörte den Machern. Wie immer schon.
Plötzlich, als sie so dasaß, mit dem Rücken an die SchaumSteinwand gelehnt, und zusah, wie Robs Y-Kegel ruinierten, konnte sie die beiden Lizzies in sich nicht mehr ertragen. Beide preßten ihr die Kehle zusammen und verursachten ihr Kopfweh. Ich kann alles machen! Ich kann nichts richtig machen! Beide lasteten auf ihrer Brust. Sie mußte aufstehen und von beiden wegkommen.
Sie ließ Vicki schlafen. Vicki sah so schön aus, wenn sie schlief – Vicki sah immer schön aus. GenMod. Lizzie würde nie so aussehen. Sie war zu klein, und ihr Kinn wirkte irgendwie komisch, und das drahtige schwarze Haar stand in allen Richtungen vom Kopf ab, weil sie unentwegt daran zog und es drehte, wenn sie nach Daten fischte. Aber Vicki schlief, und Lizzie war wach, also lag es an ihr, etwas zu unternehmen. Irgend etwas.
Rastlos strich sie an den Außenwänden der riesigen Halle entlang, dort, wo weniger Kegel herumrollten, über die man stolpern konnte. Am Haupttor vorbei, an dem sie in der Nacht eine volle Stunde verbracht hatte in dem vergeblichen Versuch, an
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