Bettler 03 - Bettlers Ritt
flüsterte sie, und jetzt war sie nicht mehr das kleine Hackergenie, sondern nur mehr eine verschreckte Siebzehnjährige, die sich an einen Erwachsenen klammerte. »Vicki, du, was sollen wir jetz’ bloß tun, wir beide?«
»Wir werden warten«, stellte Vicki sachlich fest. Sie setzte sich neben Lizzie auf den Boden und lehnte sich auch an das Tor. »Bis jemand kommt.«
Lizzie strich mit dem Finger über ein Stück Boden direkt vor dem Tor. Die Fingerkuppe war voller Staub. »Un’ wie lang is’ es her, seit zum letztenmal wer da war? Was denkst’n du?« Sie merkte, daß sie in den Nutzer-Slang verfiel, wie immer, wenn sie aufgeregt war. Sie haßte das.
»Es wird sicher jemand kommen, um das Durchbrechen der Sicherheitsbarrieren zu untersuchen. Irgendein Prüfer im Auftrag von TenTech. Der Staub hat nichts zu sagen, das heißt nicht unbedingt, daß nie jemand herkommt. Das ganze Luftfiltersystem könnte aus demselben Grund wie die Robs verrückt spielen. Vielleicht hat es den angesammelten Staub nur wieder hereingeblasen.«
Lizzie runzelte die Stirn. Eine ernsthafte Diskussion nahm ihr ein wenig von ihrer Hoffnungslosigkeit. »Aber die Robs, die sin’ doch schon ‘ne ganze Weile defekt, schau dir bloß die vielen kaputtgemachten Kegel an…«
»Also so lange auch wieder nicht! Wir haben die guten Kegel in der obersten Reihe gefunden, erinnerst du dich?«
»Un’ wie wollen wir wissen, ob die auch ordentlich funktionieren?« erkundigte sich Lizzie. Sie setzte sich gerade auf, holte einen Kegel aus dem Sack und schaltete ihn ein. Augenblicklich strahlte er Hitze ab. Sie schaltete auf Licht und dann auf beides. »Funktioniert.«
»Na, siehst du.«
»Vielleicht läßt uns der, wo kommt, die Kegel behalten.«
Vicki sah sie nur an, und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit überfiel Lizzie erneut. Nein, natürlich würden sie die Kegel nicht behalten dürfen. Waren ja alles Macher, diese Leute. Sie würden sie und Vicki wegen des Einbruchs und des Diebstahls und, weiß Gott, weswegen noch, festnehmen und ins Gefängnis werfen. Ihr Baby würde im Knast auf die Welt kommen! Und der Stamm würde keine Heizung für den Winter haben und nach Süden wandern müssen, wie die meisten anderen Stämme, die schon dorthin unterwegs waren. Also gut, das würde nicht so schlimm sein, denn im Süden war es warm, und es gab auch keinen Platzmangel dort, denn nach den schrecklichen Umstellungs -Kriegen waren nicht mehr so viele Menschen übriggeblieben… Aber Lizzies Mutter und Billy würden nicht mitgehen. Nicht, wenn Lizzie hier im Norden im Gefängnis saß. Würde sie überhaupt hier im Gefängnis sein? Manchmal schickte man die Leute in weit entfernte Haftanstalten. Die Macher-Bullen konnten Lizzie überallhin schicken…
»Die, die haben uns immer noch in der Hand, stimmt’s? Trotz der Umstellung. Un’ dem Zellreiniger. Und… allem.«
Vicki antwortete nicht; sie selbst, eine abtrünnige Macherin, die bei den Nutzern lebte, saß nur da und sah dem verrückten Gabelstapler dabei zu, wie er leere Luft hob, transportierte und aufstapelte, während ruinierte Kegel klappernd davonrollten.
Sie warteten die ganze Nacht und schliefen ein paar Stunden auf dem Boden. Gegen Morgen stieß ein verirrter Kegel Lizzie an und holte sie aus bruchstückhaften Träumen in einen bruchstückhaften Wachzustand. Sie schob den Kegel weg und fragte sich, ob sie den Gabelstapler ruhigstellen sollte. Aber wozu sich die Mühe machen? Sie rollte sich wieder um die Masse ihres immer noch ungewohnten Bauches herum ein. Der Boden war kalt. Neben ihr schnarchte Vicki leise, aber Lizzie konnte keinen Schlaf mehr finden.
Sie setzte sich auf. Während der Nacht war wiederum ein gutes Stück ihres losen Hemdes verschwunden. Der Gürtel, den sie darunter trug und der nun hoch über ihrem Bauch saß, bestand aus einem nichtorganischen Synthetikmaterial, das noch aus der Zeit vor der Umstellung stammte. An diesem Gürtel hing ein Beutel aus dem gleichen Material, in dem sich Lizzies Werkzeug befand. Wenn sie nur eine Lasersäge hätte! Eine Lasersäge würde sie beide im Handumdrehen hier herausbringen! Aber nur Macher besaßen Lasersägen. Das war schon während der Umstellungs -Kriege so gewesen, als es zu Plünderungen von Lagerhäusern gekommen war, zu Kämpfen und zu dem, was Vicki »den monumentalen gesellschaftlichen Umbruch einer sterbenden Ordnung« nannte. Und jetzt blieben die Macher in ihren undurchdringlichen Enklaven, und mit ihnen ihre
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